Allgemeiner Bericht zum Jahrestreffen des JVM 2025
Von Janneke de Vries
Am Samstagmorgen ging es für mich nicht nach einer langen Partynacht nach Hause, sondern zum Zug von Aachen nach Köln. Denn das Jahrestreffen des JVM stand vor der Tür!
Gegen 8:30 Uhr wurde dann erstmal ein Kaffee getrunken und bekannte sowie neue Gesichter begrüßt. Für mich gibt es bei solchen Treffen jedes Mal aufs Neue diese Momente, in denen ich innehalte und überlege: „Haben wir uns schon mal getroffen oder kennen wir uns nur aus digitalen Events oder von Bildern?“ – Aber macht nichts! Ins Gespräch kommt man ja trotzdem!
Keynote
Um 9:15 Uhr eröffnete Markus Klose mit seiner Keynote. Direkt zu Beginn war klar: Es wird nicht einfach über Bücher gesprochen, sondern über das, was hinter den Veröffentlichungen steckt und darüber, wie sich der Umgang mit Literatur im Laufe der Zeit verändert hat. „So ehrlich muss ich immerhin zu euch sein“, sagte er, angelehnt an den Hamburger Musiker Erobique.
Anhand von drei sehr anschaulichen Szenarien zeigte Markus, wie Manuskripte früher entdeckt und verlegt wurden. Unter anderem erzählte er von einem schlaksigen, großen Mann, der mit einem Manuskript unter dem Arm in ein Verlagshaus ging und von seiner Geschichte erzählte, in der sich ein Mann in ein Ungeziefer verwandelt. Ob Verleger:innen heute den Text von Kafka mehr hinterfragt und überarbeitet hätten? Gut möglich, denn die Prozesse sind komplexer geworden. Nicht zuletzt, da Bücher nicht mehr isoliert entstehen: Zielgruppen, Marketing und Vertrieb sind oft schon Thema bevor das Manuskript überhaupt geschrieben ist.
Dieser ganzheitliche Blick sei heute wichtiger denn je, betonte Markus. Es reiche nicht, wenn jede Abteilung still für sich in einem abgesonderten Kämmerchen arbeitet. Wir bräuchten Austausch, Vernetzung und gemeinsames Denken.
„Es gibt keine Fehler, nur Lösungen“ – wenn ihr das hört – lauft nicht: Rennt! So ein motivierend gemeinter Spruch würde einfach zu kurz greifen. Denn wir lernen aus Fehlern. Was zunächst trivial und etwas pathetisch klingt, hat Markus anschaulich auf den Punkt gebracht: Zunächst braucht es die Erkenntnis, dass sich etwas verändern muss. Einen Schmerz, der zeigt: Hier stimmt etwas nicht. Daraus entsteht idealerweise die Ambition, das Problem lösen zu wollen. Aber das allein reicht nicht. Der Schritt, der oft in eine ferne Zukunft geschoben wird, ist die tatsächliche Aktion – das Umsetzen. Allzu oft verlieren wir uns in Analysen, Planungen und dem, was alles gemacht werden könnte. Dabei entsteht Veränderung erst dann, wenn wir auch den Mut haben, zu handeln.
Für mich war die Keynote von Markus Klose ein starker Auftakt mit vielen spannenden Denkanstößen.
Mitgliederversammlung
Nach kurzem Plausch und Pause und ging es dann in die Mitgliederversammlung. Wir haben die vergangenen Jahre reflektiert, über Pläne und Ziele gesprochen und natürlich – ganz wichtig – einen neuen Vorstand gewählt.
Rebecca Caicedo, René Weyrauch, Kathrin Riechers, Annika Nasel und Franziska Oswald haben ihr Amt abgegeben. An dieser Stelle ein herzliches Danke für eure wunderbare Arbeit!
Begrüßt wurden Patricia Blob als 1. Vorsitzende, Hannah Kropla als 2. Vorsitzende, Paula Winkler als Schatzmeistern, Katharina Dietz als Schriftführerin und Theresa Pyritz als 5. Vorsitzende. Glückwunsch und viel Spaß in euren Ämtern!
Anschließend folgten detailreiche Einblicke in die Arbeit der Städtegruppen und AGs. Es ist beeindruckend zu sehen, mit wie viel Motivation und Engagement sich der Nachwuchs einbringt. Zahlreiche Bilder von den Stammtischen der Städtegruppen haben noch einmal gezeigt: Es geht bei den JVM nicht nur ums Netzwerken. Es geht vor allem um echte Begeisterung und Leidenschaft für die Buch- und Medienbranche.
Zur wohlverdienten Mittagspause stießen auch die Nicht-Mitglieder dazu und bei Essen und Gesprächen war Zeit zum Kennenlernen. Anschließend wurde das Jahrestreffen in einem würdigen Gruppenfoto festgehalten – bei so vielen Verlags- und Medienmenschen war das gar nicht mal so einfach!
Workshops
Mit einer kleinen Verspätung hat dann um kurz nach 14:00 Uhr die erste Workshopphase begonnen. Vorab konnten sich die Mitglieder zwischen den folgenden Workshops entscheiden:
- Workshop 1: Das ist meine Position! Wege ins Lektorat und im Lektorat – Dr. Friederike Römhild
- Workshop 2: Kreativ-Workshop: Ideen für Geschichten finden und weiterentwickeln – Nina Reinheimer
- Workshop 3: Die Verlagswelt und das liebe Geld – wie viel können/sollen/wollen wir verdienen? – Helge Kuhnert
- Workshop 4: Sensitivity Reading – Bettina Burger
- OPEN SPACE: Open Space mit der AG Arbeitsrechte
Für mich ging es in den Workshop von Friederike Römhild, in dem sie über Wege ins Lektorat, aber auch die Arbeit im Lektorat gesprochen hat, sowohl als angestellte als auch als freie Lektorin. Entgegen meiner Erwartungen stand die Textarbeit nicht im Vordergrund des Workshops – was ich sehr begrüßt habe. Ich erfahre gerne, wie Menschen ihren Weg in die Buchbranche gefunden haben und was sie auf ihrem Weg alles gelernt haben.
Friederike hat zum Beispiel mit uns über ihre intrinsische Motivation, Leidenschaft und Spezialinteressen gesprochen und uns ermutigt, auch unsere eigenen zu hinterfragen.
Krisen gehörten zu Friederikes Berufsweg ebenfalls dazu und es war spannend zu hören, wie sie in solchen Zeiten ihr Ziel nicht aus den Augen verloren hat.
Natürlich, als Lektorin sei Netzwerken unabdingbar, aber noch wichtiger sei es, ein eigenes Profil zu entwickeln, klare Schwerpunkte zu setzen und sich stetig neue Ziele zu schaffen. Eines ihrer Ziele hat Friederike 2021 mit der Gründung von frieda r. verwirklicht, wo sie heute als Autorenberaterin, Dramaturgin und Lektorin arbeitet.
Wenn ich so meine fünf DIN-A4-Seiten voller Notizen aus dem Workshop ansehe, merke ich: Ich habe wirklich eine Menge mitgenommen. Ein Satz, der mir besonders in Erinnerung geblieben ist, war folgender: „Da, wo es sich gut anfühlt, geh weiter und höre da auf, wo es sich nicht gut anfühlt.“
Das mag auf den ersten Blick banal erscheinen, aber wenn wir ehrlich sind, haben wir doch alle schon mal ein unwohles Gefühl ignoriert – in der Hoffnung, dass es besser wird. Zu hören, wie wichtig es ist, auch körperliche Signale wahr- und ernst zu nehmen, hat deshalb besonders gutgetan. Ein weiterer Impuls, den Friederike uns gegeben hat, war, uns zu folgenden Punkten jeweils drei Eigenschaften aufzuschreiben – ganz losgelöst davon, was wir derzeit beruflich tun oder was unser Traumjob wäre. Einfach aus dem Bauch heraus, offen und ehrlich: Stärken/Kompetenzen, Leidenschaften/Interessen, Träume/Ziele.
Reflexion war nämlich ebenfalls ein wichtiges Thema im Workshop. Den Wunsch, Lektor:in in einem Verlag zu werden, hegen nicht wenige. Aber wir dürfen nicht vergessen, ehrlich zu uns selbst zu sein. Würde uns die Arbeit wirklich Freude bereiten? Oder wäre sie doch kräftezehrend und mit Frustration verbunden – etwa, wenn Autor:innen lange Diskussionen führen und wenig Bereitschaft zeigen, am eigenen Text zu arbeiten?
In der zweiten Workshopphase haben wir dann an und mit Texten gearbeitet und darüber gesprochen, wie die Kommunikation zwischen Autor:in und Lektor:in aussehen kann.
Welche Argumente sind zielführend? Welche unterschiedlichen Herangehensweisen gibt es im Umgang mit Texten und in der Zusammenarbeit mit Schreibenden?
Ich persönlich konnte sehr viel aus dem Workshop mitnehmen und habe neben spannenden Einblicken in den Berufsalltag von Lektor:innen auch viel darüber gelernt, worauf es ankommt, wenn man seinen eigenen Weg gehen will.
Gemeinsame Abendrunde
Nach einem vollen Tag mit vielen neuen Eindrücken kamen wir abends in entspannter Runde zusammen und haben uns über die Workshops, die Arbeit, Bücher und das Leben ausgetauscht. Ich habe neue Menschen kennengelernt und alte Bekannte wiedergesehen. Es ist immer wieder schön, sich gegenseitig auf den neuesten Stand zu bringen, festzustellen, dass man Person X noch von Event Y kennt – und dass das nächste Wiedersehen wahrscheinlich schon absehbar ist.
Ja, es gibt unzählige Bücher, Verlage und Buchmenschen. Und wenn man nicht in der Branche ist, mag man es kaum glauben: Aber man kennt sich. Die Buchbranche ist irgendwie doch ein Dorf. Ich als gebürtiges Kleinstadtmädchen finde das wunderbar und fühle mich in dieser Branche absolut wohl.
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