von Johanna Breitenbach

Tobias Groß ist seit 2019 im Buchhandel tätig und nachdem er zwei Jahre lang stellvertretender Filialleiter bei Thalia in der Karl-Liebknecht-Straße in Leipzig war, ist er nun regionaler Ausbildungskoordinator für die Thalia-Buchhandlungen in Leipzig und Dessau. Zwei Jahre lang verleiht er als Sprecher des Zukunftsparlament des Börsenvereins, ehemals Nachwuchsparlament genannt, zukünftigen Berufstätigen eine bedeutende Stimme. Sein Weg in die Buchbranche war keineswegs geradlinig, denn eigentlich wollte Tobias Groß in spanischer Literaturwissenschaft promovieren. Sein Werdegang ist ein tolles Beispiel, das jungen bücherbegeisterten Menschen Mut macht, sich in diese – oftmals für Neueinsteiger*innen verschlossen wirkende – Branche zu trauen. Am 16.10.2025 wurde ihm auf der Frankfurter Buchmesse der Börsenblatt Young Excellence Award 2025 verliehen.

Wir von den JVM haben Tobias Groß in einem kurzen Interview nach seinem Blick auf die Buchbranche gefragt:

 

Lieber Tobias, vielen Dank, dass du dir die Zeit für dieses Interview nimmst.

Danke, dass ihr mir die Möglichkeit gebt. Mache ich doch sehr gerne.

 

Was wertschätzt du an der Buchbranche und was motiviert dich besonders, für sie zu arbeiten?

An der Buchbranche schätze ich besonders die Menschen, welche in dieser arbeiten und diese repräsentieren. Egal ob in Verlagen oder in den Buchhandlungen, überall begegnet man sehr herzlichen und offenen Menschen, welche hilfsbereit und emphatisch sind. Sie alle vereint die Liebe zu Büchern, denn diese zu schreiben, herzustellen und zu vertreiben, ist für die allermeisten eine echte Herzensangelegenheit. Und weit mehr als ein Job, den man halt machen muss, um leben zu können. Es ist großartig mit so vielen tollen Leuten zusammenarbeiten zu dürfen und neue Menschen für die Buchbranche zu begeistern. Das sind für mich die größten Motivationen mich hauptberuflich als Ausbildungskoordinator und ehrenamtlich im Börsenverein zu engagieren, u.a. im Berufsbildungsausschuss.

Auch finde ich es bemerkenswert, dass in der Buchwelt die Konkurrenz untereinander nicht so groß ist, wie in anderen Handelsbranchen. Klar, Konkurrenz belebt natürlich auch bei uns das Geschäft, aber diese basiert nicht auf Feindseligkeit und monopolisierenden Verdrängungsintentionen. In der Not hilft man sich und ist solidarisch miteinander.

 

Was sollte sich unbedingt in oder an der Buchbranche ändern und warum?

Wir sollten alle definitiv selbstbewusster auftreten, die vielen schönen Seiten unserer Arbeit kommunizieren und voller Stolz sagen, dass wir Teil dieser Branche sind. Wenn ich auf Menschen treffe, welche nicht Teil der Buchbubble sind und ich ihnen sage, dass ich gelernter Buchhändler bin, dann leuchten bei vielen die Augen. Nicht selten höre ich dann „Das ist ja ein schöner Beruf, wenn ich diesen früher gekannt hätte, würde ich das heute auch gerne machen.“ Unsere Branche genießt ein hohes Ansehen in der Bevölkerung, welches wir jedoch nicht zu unserem Vorteil nutzen. Wenn wir hier offensiver und frühzeitiger die vielfältigen Berufsmöglichkeiten bewerben und uns im Vergleich zu anderen Branchen nicht immer so klein und unwichtig machen würden, dann wäre die Suche nach Nachwuchs und neuen Mitarbeiter:innen auch nicht so mühselig. Schließlich stellen wir das interessanteste, langlebigste und schönste Medium her, dass es gibt. Ein Medium, welches schon so oft totgesagt wurde, aber allen Abgesängen getrotzt hat und heute wieder echt angesagt ist, was nicht zuletzt der aktuelle Romance-Boom beweist. BookTook und Bookstagram tragen hier natürlich einen wichtigen Teil dazu bei, sie sind für die gesamte Branche sehr wertvoll, nicht mehr wegzudenken und die Werbemedien unserer Zeit.

 

Welche neuen Erkenntnisse hast du in deinem Amt als Sprecher des Zukunftsparlaments für dich persönlich gewonnen?

Mich freut es besonders, dass viele ehrenamtlich engagierte Nachwuchskräfte, mit welchen mein ehemaliger Co-Sprecher Florian Noichl und ich in unserer zweijährigen Amtszeit zusammengearbeitet haben, inzwischen selbst in leitenden Positionen tätig sind und einen Fuß in der Branche gefasst haben. Es zeigt sich, dass ehrenamtliches Engagement bei den Arbeitgeber:innen geschätzt wird und eine Rolle im Recruiting spielen kann – und das viele junge Leute bereit sind, in ihrer Freizeit an verbesserten Bedingungen für alle mitzuwirken.

Auch freute es mich sehr, dass mit der von Florian und mir wesentlich mitinitiierten Namensänderung von Parlament und AG, der Sprung vom Nachwuchs zur Zukunft gemacht wurde. Damit konnte die junge Buchbranche ein deutliches Signal senden und zeigen, dass sie die Gestalter:innen und Führungskräfte von morgen sind – und auch als solche bei Verband und Arbeitgeber:innen wahrgenommen werden. Die Perspektiven und Meinungen junger Buchmenschen werden geschätzt und geachtet, es kam zu einer spürbaren, positiven Wahrnehmungsverschiebung der Arbeit und des Engagements junger Branchenmitglieder.

 

Welchen Rat würdest du Future Professionals zum Einstieg in die Buchbranche mitgeben?

Vernetzt euch untereinander und redet miteinander. Die Buchbranche ist vergleichsweise klein, jeder kennt gefühlt jeden und man begegnet sich auf den zahlreichen Branchenevents immer wieder aufs Neue. Die beiden Buchmessen fühlen sich daher für mich wie ein großes Klassentreffen an, bei dem man sich über aktuelle Projekte und über die vergangenen Monate austauscht. Und sich einfach freut, sich zu sehen. Sich ein eigenes Netzwerk aufzubauen ist daher essenziell für einen gelungen Einstieg in das Berufsleben nach Ausbildung, Studium und Volontariat. Wir profitieren schließlich alle voneinander, irgendwer kennt immer irgendwen, der einem bei einer Sache behilflich sein und den eigenen Namen vor anderen ins Spiel bringen kann.

Eine aktive Mitgliedschaft bei den JVM, in der Zukunfts-AG des Börsenvereins und eine Teilnahme an den zahlreichen Nachwuchsevents der Landesverbände (z.B. die BookFuture in Leipzig oder die BookYourCareer in Ulm), sind daher ideale Gelegenheiten neue Bekanntschaften zu schließen und die bereits bestehende zu pflegen. Auch der Karrieretag Buch & Medien auf der Leipziger Buchmesse, das Azubistro des Mediacampus und der Young Professionals Day auf der Frankfurter Buchmesse, sind prädestiniert dazu, zu networken und miteinander ins Gespräch zu kommen. Denn ganz ehrlich: gemeinsam lebt und »kämpft« es sich besser als allein.

 

Zum Abschluss eine persönliche Frage: Welches Buch liegt gerade auf deinem Nachttisch und wem würdest du es empfehlen?

Gerade lese ich »Tokyo Sympathy Tower« von Rie Quedan, welches von Ursula Gräfe meisterlich aus dem Japanischen ins Deutsche übersetzt wurde. Dieses Buch spielt in einer nahen Zukunft und dreht sich um die Vision eines Wissenschaftlers und einer Architektin, dass Straftäter:innen ihre Haftzeit in einem Luxushochhaus verbringen und so resozialisiert werden. Schließlich können sie aufgrund verschiedenster Umstände nichts für ihr Dasein als homo miserabilis, als bemitleidenswerte Menschen. Dies ruft unterschiedliche Reaktionen hervor und stößt nicht bei allen auf Gegenliebe. Mich fasziniert vor allem die Sprache der jungen Schriftstellerin und ihre in Worte gefasste Liebe zu Architektur und Design. Kein thematisch einfacher, aber ein sehr lesenswerter Roman, der viele aktuelle Themen unserer Zeit abgreift und für alle geeignet ist, die sprachgewaltige Geschichten mögen.

 

Wir gratulieren Tobias Groß herzlich im Namen des ganzen Vereins für diese wunderbare Auszeichnung! Ein ausführliches Porträt hat Veronika Weiss im Börsenblatt verfasst. Außerdem findet ihr eine Übersicht aller Nominierungen für den #yeaward25 in diesem Beitrag.

Foto Tobias Groß: Tom Schulz