von Merle Ninnemann

Abseits vom Getümmel habe ich eine Messe auf der Messe entdeckt: Die Antiquariatsmesse. Allein schon der Einlass unterscheidet sich zu dem in den anderen Hallen: Nur nacheinander winkt uns das Sicherheitspersonal durch einen schmalen Durchlass, der zur Messe führt. Bevor ich sie betreten darf, wird mein Rucksack kontrolliert.

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Atmosphäre von Altem und Ehrwürdigem – die Antiquariatsmesse.
© Merle Ninnemann

Der blaue Kunststoffboden geht in rotem Teppich über, die grellen Leuchtreklamen der Stände in warmes Licht und die modernen Büchergestelle aus Metall wurden durch angenehm rustikal wirkende Holzregale ersetzt.

Der Duft von altem Papier erfüllt die warme, etwas stickige Luft und gibt mir das Gefühl, in ein riesiges Antiquariat eingetreten zu sein.
Von der draußen herrschenden Hektik ist keine Spur mehr, nur der gedämpfte Lärm aus den anderen Messehallen erinnert noch daran. Vergleichsweise wenige, meist ältere Menschen schlendern interessiert an den Ständen des seit 2005 angegliederten Sonderteils der Frankfurter Buchmesse vorbei.

Bücher für den Preis eines Autos

Buchrücken reiht sich an Buchrücken. Einige sind in schlichtem Leinen gebunden, andere mit Prägungen, Foliengold und kunstvollen Ornamenten verziert. In alarmgesicherten Vitrinen liegen besonders wertvolle Exemplare auf rotem Samt aufgeschlagen. Ich beobachte, wie sich die Besucher staunend in den detaillierten Illustrationen und Landkarten verlieren.

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Preisschild für antiquarische Karten.
© Merle Ninnemann

Ein älterer Herr fragt einen Antiquar nach dem Preis für einen in Leder gebundenen Wälzer. Doch als er die Antwort bekommt, schüttelt er nur lächelnd den Kopf und geht zum nächsten Stand. Die Preise in dieser Abteilung steigen schnell in den fünfstelligen Bereich.

Warum sollte man für so viel Geld alte Bücher kaufen, wenn man sich nur ein paar Meter weiter bei mehr als 7000 Verlagen mit so vielen neuen Büchern eindecken könnte, dass man für den Rest seines Lebens ausgesorgt hätte?
Ganz einfach, beantwortet mir ein Antiquar diese Frage:
„Alte Bücher sind Zeitzeugen längst verstorbener Personen und Kulturen. Jedes einzelne Exemplar erzählt seine eigene Geschichte; oft tragen sie Spuren vom Zahn der Zeit oder Abnutzungen durch vergangene Besitzer.“ Es sei die Aufgabe des Antiquars, diese so akribisch wie möglich zu beschreiben, damit sich der Kunde ein genaues Bild von dem angebotenen Werk machen könne. „Gerade in der Zeit von Internetplattformen für antiquarische Bücher und Auktionsriesen wie eBay wird diese Arbeit immer wichtiger.“

Antiquitäten und der Onlinehandel

Bereits 2007 wurde über die Hälfte des Umsatzes online erzielt, Tendenz stark steigend. Durch das zahlreiche Angebot, die Möglichkeit des Preisvergleiches und Verkäufe durch Privatpersonen ist der Konkurrenzdruck sehr groß. Dennoch habe das Internet auch positive Seiten, versichert mir ein Händler. Inzwischen werden immer mehr alte Bücher im Internet der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die Daten animieren immer mehr Kunden zum Kauf von antiquarischen Büchern.

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Das Angebot in der Halle ist breit gefächert: Neben Büchern in unterschiedlichen Größen, Formen und Ausführungen stapeln sich in manchen Regalen lose Blätter, Landkarten oder Zeitungen. Graphiken und Kupferstiche tapezieren die Wände und verstärken das Verlangen in mir, in längst vergangene Zeiten abzutauchen und sich durch das Sortiment zu wühlen.

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Froschinnereien im Glas. © Merle Ninnemann

Merlins Arbeitszimmer

Als ich um die nächste Ecke biege, bemerke ich einen Stand, der direkt aus dem Arbeitszimmer eines Zauberers entsprungen sein könnte. Zwischen Wälzern mit rostigen Eisenverschlägen und kryptischen Symbolen auf den Bücherrücken stehen neben zwei Setzkästen mit aufgespießten Schmetterlingen zwei große Einmachgläser. Was hat ein riesiger, sezierter Frosch auf der Frankfurter Buchmesse zu suchen? In dem anderen Glas befinden sich acht aufgereihte Kükenembryos.

Den rauen Einband unter den Fingern spüren und den Duft von alter Druckerschwärze tief einatmen

Schnell gehe ich weiter und möchte noch erfahren, welche Bücher beim Kunden besonders beliebt sind. Trends gebe es keine, gibt mir ein älterer Antiquar Auskunft. Alles komme auf das Einzelstück an. „Tendenziell kann ich aber sagen, dass die Kunden ein Werk umso reizvoller finden, desto älter, seltener und kurioser es ist.“ Deshalb lohne sich trotz des vielfältigen Angebotes im Internet immer noch der Gang zu einem realen Antiquariat, weil es dort immer etwas Neues zu entdecken gebe. „Und noch etwas: Ich kann es nur empfehlen, das Buch vor dem Kauf persönlich anzuschauen“, sagt er mir, bevor ich mich von ihm verabschiede. „Nur so kann ich den rauen Einband unter meinen Fingern zu spüren und den Duft von alter Druckerschwärze tief einatmen.“

 

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Als ich die Antiquariatsmesse verlassen möchte, wird erneut mein Rucksack vom Security-Personal durchsucht, damit ich keines der teuren Bücher mitgehen lasse. Die Messe in der Messe ist halt etwas Besonderes.

 

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Der Teppich macht den Unterschied am Eingang zur Antiquariatsmesse.
© Merle Ninnemann