Von Vanessa Knauer

Der mediacampus frankfurt gilt als zentrale Anlaufstelle, wenn es um Aus- und Weiterbildung in der Buch- und Medienbranche geht. Neben Seminaren für Auszubildende und Fachkräfte gibt es dort auch ein breites Angebot für den Branchennachwuchs. Ich habe kürzlich am Workshop „Buchbranchen-Know-how für Quereinsteiger:innen“ teilgenommen und berichte von meinen Eindrücken.

Aufmerksam geworden bin ich auf den Workshop durch die Goodiebags bei unserem Jahrestreffen in Köln. Darin befand sich ein Flyer mit Angeboten des mediacampus, die speziell für den Berufseinstieg konzipiert sind. Und so viel kann ich euch schon verraten: Holt den Flyer am besten sofort aus der Tasche und schaut euch das Programm genauer an, denn es lohnt sich. Für Mitglieder des JVM gibt es nämlich 10 Prozent Rabatt.

Das Online-Seminar „Buchbranchen-Know-How für Quereinsteiger:innen“ wurde von Karin Herber-Schlapp, Lektorin, Dozentin und Beraterin zu den Themen Programmplanung, Lektorat und Redaktion, geleitet. Es begann gleich spannend mit der Vorstellungsrunde, denn die Gruppe war sehr vielfältig: unterschiedlich im Alter, mit verschiedenen beruflichen Hintergründen und Beweggründen für die Teilnahme. Für die Leitung war es sicher nicht einfach, dieser Breite gerecht zu werden, für uns Teilnehmende machte es die Diskussionen aber umso interessanter. Überraschend war für mich, dass gleich mehrere Teilnehmerinnen die Übernahme eines Buchladens planten oder bereits konkret daran arbeiteten. Dieses Thema beschäftigt die Branche aktuell stark, auch vor dem Hintergrund der wachsenden Konkurrenz durch große Händler, die ins Verlagsgeschäft drängen.

Flexibilität im Workshopplan

Der Workshop war klar strukturiert: Grundlagen der Buch- und Medienbranche, Besonderheiten des deutschen Buchmarkts (Preisbindung, Urheberrecht, Privilegien), Marktprozesse und beteiligte Akteure, strategische Facetten im Sortiment (Breite vs. Tiefe, Zielgruppenfokus, Preisgestaltung) sowie ein Blick auf aktuelle und zukünftige Herausforderungen. Tatsächlich war der Ablauf weniger strikt, was ich als sehr positiv empfunden habe. Es war eine offene Atmosphäre, in der viel diskutiert wurde. Herber-Schlapp beantwortete auch viele konkrete Fragen, leitete Kontakte weiter und wiederholte immer wieder, was in der Branche entscheidend ist: das Netzwerken. Im Vereinsalltag erlebe ich immer wieder, dass Netzwerken hier ganz leichtfällt – mit so vielen buchbegeisterten Menschen ist es nicht nur bereichernd, sondern macht auch richtig Spaß.

Zu Beginn arbeiteten wir mit Schlagzeilen des Börsenblatts aus den vergangenen Monaten. Daraus entwickelte sich ein Überblick über Kernthemen, aktuelle Herausforderungen und Debatten. Indem Herber-Schlapp Fachbegriffe erklärte und in einen größeren Kontext stellte, verwandelte sie vermeintlich trockene Nachrichten in eine lebendige Veranschaulichung. Im Anschluss sprachen wir über wirtschaftliche Kennzahlen der Buchbranche, etwa Umsatzzahlen oder die Preisentwicklung bei Büchern. Diese ordnete sie im Zusammenhang mit demografischen Entwicklungen, der Pandemie und den Folgen der Inflation ein. Sie bezeichnete sich selbst als „Zahlenjunkie“, weil sich aus Statistiken viel ablesen ließe. Ich stimme ihr zu, langweilig war das in keinem Moment.

Lesetrends und Marktverschiebungen im Fokus

Sehr interessant war auch der Einblick in Erstauflagen und Backlist. Während Erstauflagen, sogenannte Novitäten, seit Jahren sinken, sichern Verlage ihre Umsätze zunehmend über ältere Titel. Die sogenannte Backlist, also ältere weiterhin lieferbare Bücher, deren Erstveröffentlichung mindestens ein Jahr zurückliegt, gewinnt stark an Bedeutung. Das hängt auch mit der Überproduktion zusammen: Jährlich erscheinen rund 80.000 Bücher. Für Leserinnen und Leser ist es unmöglich, Schritt zu halten, die ungelesenen Stapel (der berühmte SuB) Herber-Schlapp machte deutlich, dass sich daraus ein schleichender Trend ergibt: Verlage veröffentlichen insgesamt weniger Titel und konzentrieren sich stärker auf sichere Bestseller. Gleichzeitig verstärkt das Leseverhalten diese Entwicklung, denn viele Konsument:innen greifen eher zu bewährten Büchern, als sich durch die Masse an Novitäten zu arbeiten. Beides beeinflusst sich gegenseitig – die Verlage setzen auf Backlist und Bestseller, weil die Leserschaft mit der Flut an Neuerscheinungen nicht mehr mithalten kann, und die Leserschaft greift umso mehr zu diesen Titeln, weil sie als verlässliche Orientierung im übervollen Markt dienen.

Herber-Schlapp sprach die Probleme offen an. Die Leserschaft schrumpft, ältere Generationen sterben weg, bei Kindern sinkt die Lesekompetenz auf alarmierende Weise. Positiv hob sie hervor, dass die 16 bis 29 Jahre alten Leserinnen und Leser eine stabile und engagierte Gruppe bilden, die zwar zahlenmäßig kleiner, dafür aber kaufkräftiger ist. Ein weiteres und daran anknüpfendes Thema war das Kaufverhalten nach Formaten. Am Beispiel von Angela Merkels Biografie zeigte sich, dass der E-Book-Anteil bei nur einem Prozent lag, vermutlich wegen der bildungsbürgerlichen Zielgruppe. In jüngeren Zielgruppen liegt der Anteil dagegen bei etwa 30 bis 40 Prozent. Hörbücher gewinnen ebenfalls stark, vor allem durch Streaming-Dienste, allerdings fast vollständig am stationären Buchhandel vorbei. Diese Information sorgte sichtbar für Nachdenken bei den angehenden Buchhändlerinnen im Raum.

Zwischen Anspruch und Nachfrage

Besonders eindrücklich war die Diskussion über das Selbstverständnis der Branche. Bücher wie Fourth Wing sind Kassenschlager, werden von manchen Verlagen aber abgewertet, weil sie angeblich nicht den gewünschten Ansprüchen genügen. Herber-Schlapp kritisierte diese Haltung deutlich. Wer den Markt nicht ernst nehme und keine Kompromisse eingehe, riskiere die eigene Existenz. Verlage müssten Brücken bauen zwischen Autor:innen auf der einen und Leser:innen auf der anderen Seite. Ein Beispiel für erfolgreiches Arbeiten am Markt ist das Imprint Lyx von Bastei Lübbe, das sich mit einer sehr klaren Markenidentität etabliert hat. Viele erkennen ein Lyx-Buch sofort und greifen gezielt danach, was ein klarer Wettbewerbsvorteil ist.
Auch die Frankfurter Buchmesse kam zur Sprache, mit anschaulichen Schilderungen der Unterschiede zwischen Fach- und Publikumstagen und der intensiven Rechtearbeit im Agenten- und Verlagsbereich. Zum Abschluss gab es eine offene Fragerunde zu Themen wie der Übernahme von Buchhandlungen, der Rolle von Künstlicher Intelligenz und der Bedeutung von BookTok. Obwohl die Workshopzeit längst vorbei war, nahm sich Herber-Schlapp viel Zeit für uns.

Mein Fazit

Der Workshop erstreckte sich von 10 bis 17 Uhr – tatsächlich haben wir sogar bis 18 Uhr überzogen, um noch offene Fragen zu klären. Die Teilnahmegebühr beträgt 300 Euro, JVM-Mitglieder erhalten 10 Prozent Nachlass, Nachwuchskräfte sogar 20 Prozent. Angeboten werden die Workshops sowohl online als auch vor Ort in Frankfurt; es lohnt sich also, die Augen offen zu halten oder bei Interesse gezielt nach Terminen zu fragen. Ich habe mich für die Online-Variante entschieden, da sich diese besser mit meinem Uni- und Arbeitsalltag vereinbaren ließ und ich nicht in Frankfurt lebe. Meine Motivation war, dass ich mich in meinem philologischen Studiengang oft sehr weit von der Branche entfernt fühle und mir Wissen aneignen wollte, das im stark theoretisch und akademisch ausgerichteten Studium nicht vermittelt wird. Hinzu kommt, dass ich mir aufgrund der angespannten Wohnsituation in Großstädten kein unbezahltes Praktikum leisten kann und ich daher erst im Volo in dieser Ausführlichkeit mit solchen Inhalten konfrontiert worden wäre.

Der Workshop bot für mich einen sehr wertvollen Einblick in die Strukturen und Prozesse der Branche. Wer bislang kaum Berührungspunkte hatte, erhält hier einen umfassenden Überblick und lernt wichtige Begriffe und Abläufe kennen, von der Deckungsbeitragsrechnung bis zur Backlist. Natürlich überspringe ich in diesem Bericht viele Inhalte, die im Workshop ebenfalls ausführlich behandelt wurden, etwa die Abläufe im Verlag, die Prozesse bis zum Buchverkauf, die beteiligten Akteur:innen des Markts oder die verschiedenen Vertriebswege. Tatsächlich hatte ich viele Inhalte davon bereits im Bachelorstudium in einem Einstiegsseminar von Helge Kuhnert kennengelernt, der auch beim diesjährigen JVM-Jahrestreffen einen Workshop angeboten hat. Dennoch hat sich die Teilnahme für mich sehr gelohnt, weil ich die Themen hier aus einer anderen Perspektive und mit ganz konkretem Praxisbezug verbinden konnte.
Besonders wertvoll waren auch die Begegnungen und Diskussionen mit der Workshopleitung und den anderen Teilnehmerinnen. Denn es gilt, über die eigenen Erfahrungen hinaus ins Gespräch zu kommen, voneinander zu lernen und das gemeinsame Netzwerk zu stärken – schließlich ist Netzwerken das A und O.

Alle Teilnehmenden erhalten im Nachgang die Folien und ein Teilnahmezertifikat. Nachwuchskräfte können einen Nachlass erhalten, JVM-Mitglieder erhalten grundsätzlich 10 Prozent Rabatt. Es lohnt sich außerdem, das weitere Programm im Blick zu behalten, ob vor Ort oder online. Besonders ans Herz legen möchte ich den Karriereabend für Nachwuchskräfte am 22. Oktober 2025, der online über Zoom stattfindet und Informationen zu Bewerbung, Einstiegsmöglichkeiten und branchenspezifischen Jobbörsen bietet.