von Stefan Katzenbach

Am Donnerstag der Leipziger Buchmesse wurde traditionell der Preis der Leipziger Buchmesse verliehen und feierte selbst mit: Zum zwanzigsten Mal wurde er vergeben. Preisträger:innen sind diesmal  Barbi Marković mit ihrem Roman „Minihorror“ (Belletristik), Tom Holert mit „ca. 1972“ Gewalt – Identität – Methode (Sachbuch) und Ki-Hyang Lee für ihre Übersetzung des Erzählbandes „Der Fluch des Hasen“. Am Freitag der Leipziger Buchmesse waren sie bei „detektor.fm – dem Podcastradio“ zu Gast.

Eines hatten alle Preisträger:innen gemeinsam: Die Überraschung, dass ausgerechnet ihr Buch ausgezeichnet wurde. „Ich bin noch überrascht“, sagte Ki-Hyang Lee auf die entsprechende Frage der Moderatorin Charlotte Thielmann und verriet, dass sie sich eigentlich sogar einen anderen Preisträger gewünscht hätte: „Ich habe Klaus Olof den Preis gewünscht, er sollte ihn bekommen (Klaus Olof stand ebenfalls auf der Shortlist mit der Übersetzung von  Goran Vojnovićs: „18 Kilometer bis Ljubljana“, Anmerk. d. Red.).

Die Ehrung bekam dann zwar Lee, dies konnte sie zunächst aber gar nicht richtig feiern: „Ich hatte noch Arbeit zu erledigen. Ich habe selbst einen Kinderbuchverlag und stehe mit Mondeis auf der Liste des deutschen Jugendliteraturpreises. Für das Buch musste ich noch Bestelllisten abarbeiten.“

Arbeit nach der Auszeichnung hatte Tom Ohlert zwar nicht, damit zu gewinnen, rechnete er aber auch nicht: „Wir (die Nominierten, Anmerk. d. Red.) waren uns einig keine Dankesreden vorzubereiten, weil wir alle nicht damit rechneten zu gewinnen“, verriet er.

Eine „mutige Entscheidung“ und zwei „Geschwisterbücher“

Seine Ehrung versteht Holert als „mutige aber nachvollziehbare Entscheidung“, die zeige, dass die Jury „noch etwas vorhabe, im letzten Jahr unter der Leitung von Insa Wilke“. Er sei zwar einerseits froh, dass die Preisträger:innen davon profitieren konnten, andererseits fürchtet er nun auch die aufkommende Aufmerksamkeit für sein Buch: „Vielleicht wird das Buch nun kritischer gesichtet.“

Die dritte Preisträgerin Babi Marković ließ an ihrer statt ihre Protagonistin Minni in einer Dankesrede sprechen. Dies sei das einfachste gewesen, so die Preisträgerin, sie habe keine Rede vorbereitet und es sei für sie normal, über Miki und Minni, die Protagonist:innen ihres Buches zu sprechen.
Die Preisträger:innen teilten indes noch mehr als die Überraschung über die Ehrung. Schließlich sei „Der Fluch des Hasen“ das „Schwesterbuch“ zu „Minihorror“, so Marković.

In beiden spielt Horror eine große Rolle, dieser sei in „Der Fluch des Hasen“ voller Ironie und der Angsteffekt durch die Vermischung mit SciFi-Elementen in Fantasyform noch größer, erklärte Ki-Hyang Lee. Dennoch hat das Buch für die Übersetzerin viele Bezüge zur Realität: „Es geht immer um Fluch und Segen, es tauchen immer wieder neue Probleme auf, die gelöst werden müssen, so wie im wirklichen Leben“.

Engagement für positive Veränderungen als weitere Gemeinsamkeit der Bücher

Um historisch gewordene Realität geht es in Tom Holerts „ca. 1972“ Gewalt – Identität – Methode. Das Jahr 1972 habe er ausgewählt, weil er bei seiner Arbeit immer wieder darauf gestoßen sei. Medial werde es als Utopie, als Höhe-und Endpunkt der Bundesrepublik dargestellt, der in Olympia gipfeln sollte. Historische Befunde will Holert aber im Buch nicht aktualisieren, vielmehr die Vielstimmigkeit der verschiedenen Themen präsentieren und die Frage stellen, warum gesellschaftliche Umbrüche trotz Bereitschaft in der Bevölkerung nicht umgesetzt wurden.

1972 habe es beispielsweise bereits Warnungen vor dem Klimawandel gegeben und ökologische Bewegungen, die sich auf dem Höhepunkt ihres Schaffens befanden und die mehr Klimaschutz forderten. Umgesetzt worden sei dies allerdings nicht, auch aus ökonomischen Zwängen durch die Ölkrise 1973.
Das Engagement für positive Veränderung wollte auch Babi Marković zeigen: „Ich habe ein Herz für Figuren, die das Gute wollen, die wollte ich im Buch haben.“ Der comic-hafte Stil sei dabei spontan entstanden: „Geplant war das Buch als Zwischenbuch zu meinem nächsten Roman.“
Allerdings habe ihr ein Konzept gefehlt. Mit Miki und Minni, sagte Marković, die selbst mit LTB-Comics aufgewachsen ist, sei das comic-hafte dagewesen, „dann ging es“.
Ein reines Unterhaltungsbuch sei „Minihorror“ aber dennoch nicht. Gewalt ist für die Autorin ein prägendes Thema, „gegen dass es bisher leider noch kein Gegenmittel“ gäbe. Sie habe aber zumindest durch das Buch zeigen wollen, „dass etwas todernst und trotzdem lustig sein kann“.