Jedes Unternehmen ist heute Publisher und jeder Publisher ist künftig ein Veranstalter. Events und Live-Marketing werden trotz oder gerade wegen des Internets immer wichtiger, um Zielgruppen zu erreichen und zu binden. Doch wie funktioniert das am besten?

Rückläufige Zahlen von Lesern und Buchkäufern
In den Jahren 2012-2016 hatte die Buchbranche mit einem Verlust von über 6 Millionen Buchkäufern zu kämpfen. Allein im letzten Jahr waren es 600.000 Käufer insbesondere in den jüngeren Zielgruppen, ohne dass der Umsatz in der Buchbranche dabei maßgeblich zurückgegangen wäre. Der Umsatz konzentriert sich, trotz einer immer breitgefächerten Themenvielfalt und unterschiedlichster Ausgabeformate, meist auf die gleiche Leserschaft und besonders gut verkäufliche oder stark gepushte Titel. Damit werden die Themen Event- und Social-Media-Marketing, Literaturvermittlung und Direktvermarktung zunehmend wichtiger im Bereich der Kundenbindung. Das zeigt bereits die Entwicklung der letzten Jahre, in denen immer neue Eventformate wie beispielsweise „Leipzig liest“ mit fast 3500 Veranstaltungen im Jahr oder „Autoren@Leipzig“ stärker in den Mittelpunkt gerückt sind. Zugleich werden in Unternehmen die Marketingbudgets für Direktmarketing und Eventmanagement bei eigenen oder Fremdveranstaltungen, in denen Mitarbeiter eigebunden werden, weiter erhöht. In Zeiten von digitalem Publishing setzt die Buchbranche nicht mehr nur auf innovative Marketing- und Verkaufsstrategien, sondern vor allem auf den persönlichen Kontakt zum Kunden.

Der persönliche Kontakt hat eine besonders nachhaltige Komponente und schafft Synergieeffekte
Nehmen wir das Beispiel „future!publish“. Der Berliner Kongress, in dessen Rahmen diese Veranstaltung stattfindet, präsentiert innovative Formen des Publizierens, neue Ideen für das Marketing und starke Impulse für den Verkauf. Im Januar 2018 fand er bereits zum dritten Mal in Folge statt. In den vergangenen Jahren kamen hier pro Veranstaltung rund 300 Fachbesucherinnen und Besucher aus Buchverlagen, Buchhandlungen, Dienstleistungsunternehmen sowie dem universitären Bereich zusammen. An zwei aufeinander folgenden Tagen haben die Teilnehmer nicht nur Zeit, diversen Veranstaltungen zu lauschen, sondern können sich bei Workshops auch direkt mit einbringen und austauschen. Hier treffen sie auf alte Bekannte und knüpfen neue Kontakte in der Branche. Klassisches Netzwerken also. Das ist an und für sich nichts Neues. Neu ist aber die Art, wie hierüber berichtet und so eine immer größere Reichweite erzielt wird. So informieren Mitarbeiter von Literaturtest, die die „future!publish“ ins Leben gerufen haben, beispielsweise über eigene Kanäle auf Twitter, Facebook und Co., „live“ von der Veranstaltung und informieren nicht nur diejenigen, die nicht vor Ort sein können, sondern schaffen zugleich einen Anreiz, vielleicht beim nächsten Mal persönlich dabei zu sein. Gäste und Besucher der Veranstaltungen agieren zugleich als Vertreter ihres Unternehmers und berichten ebenfalls über ihre Präsenz vor Ort, ihre Interessen und Erkenntnisse und neu geknüpfte Kontakte. Dabei bedienen sie sich eigener und fremder Kanäle, zum Beispiel derer der „future!publish“, und verbinden beide miteinander. Damit wird nicht nur neuer Content mit einer besonders großen Reichweite erzielt, sondern es können zugleich die neu geknüpften Kontakte gefestigt werden.

„Jedes Unternehmen ist ein Medienunternehmen und damit ein Veranstalter“
Viele Unternehmen fungieren inzwischen als Medienunternehmen, indem sie z.B. Statusmitteilungen oder Publikationen über diverse Kanäle teilen und damit den direkten Kontakt zum Leser suchen und im nächsten Schritt entweder selbst als Veranstalter auftreten oder fremde Plattformen für den Austausch nutzen. Um auch nachhaltig von einer Veranstaltung zu profitieren, müssen jedoch Rahmen und Setting stimmen.
Das beginnt bereits bei der Veranstaltungsankündigung und ist besonders in Städten wie Berlin wichtig, in denen es ein breites Überangebot an Veranstaltungen gibt. Welcher Anreiz wird hier geschaffen die Veranstaltung zu besuchen? Wo findet die Veranstaltung statt? Wer wird noch dabei sein? Welcher Nutzen ist für den Besucher oder Teilnehmer zu erwarten? Wird hier beispielsweise ein besonderes Format angeboten?

Interaktion und Integration durch ausgewählte Formate
Bei der Umsetzung ist nicht nur eine gute Moderation für den Erfolg einer Veranstaltung entscheidend, es müssen auch Begegnungsräume und die richtige Atmosphäre geschaffen werden. Teilnehmer, die in die Veranstaltung integriert werden, werden auch animiert sein, sich einzubringen und kommen leichter mit anderen in Kontakt. Nur dann werden sie auch über die Veranstaltung sprechen und beim nächsten Mal wiederkommen. Ein außergewöhnliches Format kann dabei nicht nur dafür sorgen, dass die Teilnehmer besser integriert und selbst aktiv werden, sondern auch dafür, dass die Veranstaltung zum Erlebnis wird und von den Teilnehmern via Social Media direkt eingebunden wird. So ergibt sich eine maximale Sichtbarkeit im Netz. Beispiele für außergewöhnliche Formate sind z.B. der „Reporter Slam“, in dem die Teilnehmer zehn Minuten Zeit haben, um ihre absurdeste Recherche vorzustellen. Gleich mehrere Beispiele für besondere Erlebnisformate bietet z.B. das „Fifteen Seconds“, Europas führendes interdisziplinäres Business Festival. Mit Veranstaltungen wie „Experimental Brainstorming“ oder „Nebula Meetings“ werden die Teilnehmer integriert und animiert, live von der Veranstaltung zu berichten. Kleinere Veranstalter, deren Infrastruktur solche Events mit Erlebnischarakter nicht zulassen, können sich dagegen über Firmen wie Mintano inzwischen Werkzeuge leihen, um ihre Veranstaltung zu einem Live-Erlebnis werden zu lassen. Hier lässt sich beispielsweise der „Hashtag Printer“ mieten, der automatisch alle Instagram und Twitter Fotos druckt, die dann an den Kunden rausgegeben werden können.

Über den Referenten und ORBANISM
Leander Wattig ist Blogger, Event-Konzepter und Publisher. Seit über 10 Jahren berät er führende Veranstalter, Publisher und Kreative und hält Vorträge auf Konferenzen. Daneben engagiert er sich als Dozent an der Humboldt-Universität Berlin und ist als Vorstandsmitglied der Theodor Fontane Gesellschaft tätig.
2009 entwickelte und gründete er die Plattform ORBANISM, für die er auch selbst als Veranstalter und Publisher tätig ist. In diesem Rahmen hat er verschiedene Event- und Vernetzungsformate ins Leben gerufen wie z.B. „#pubnpub“, „Was mit Büchern“ und den „ORBANISM Award“.
ORBANISM setzt sich zusammen aus „orbis“ und „urbanism“ und soll das ins Internet übertragene Urbane mit den positiven Aspekten des Globalen verbinden. Ziel der Plattform ist es, lebendige Räume für Begegnungen zu fördern. ORBANISM beschäftigt sich als Publisher mit der Frage, was gute Veranstaltungen im Bereich Buch, Medien und Kultur ausmachen und wie diese noch sichtbarer werden können.

Anika Andreßen

Weitere Infos unter:
futurepublish.berlin/speaker/leander-wattig
leanderwattig.com/2018/01/27/vortragsfolien-von-der-futurepublish/
orbanism.com
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