Unabhängige Verlage im Fokus: Die diesjährige Hotlist und ihre Bedeutung
Von Thane Ortmann
Aus der Empörung, dass nicht einmal auf der Longlist des Deutschen Buchpreises ein Buch aus einem unabhängigen Verlag aufgeführt war, entstand 2009 die Hotlist der unabhängigen Verlage. Am Messemittwoch wurde die diesjährige Hotlist vorgestellt, am Freitag folgte die Preisverleihung im Literaturhaus Frankfurt.
Bis heute sind die unabhängigen Verlage auf den Listen des Deutschen Buchpreises noch immer unterrepräsentiert. Wie der Moderator dieses Jahres, Axel von Ernst vom Lilienfeld Verlag, formuliert: „Wäre es ein Wettbewerb unter Chocolatiers, würde man sich wundern, wenn alles von Nestlé wäre. Unter Büchern ist es normal, dass die Konzerne bevorzugt werden.“ Die diesjährige Preisträgerin des Deutschen Buchpreises, Martina Hefter, veröffentlichte zuvor ausschließlich bei unabhängigen Verlagen – ohne je mit einem ihrer Bücher ausgezeichnet zu werden. Erst mit einem Titel aus einem der Großen gelang ihr der Gewinn des renommierten Preises. Diese kapitalistisch geprägte Seite des Literaturbetriebs sorgt dafür, dass kleine und unabhängige Verlage um ihre Existenz fürchten. „Die Gefahr für die Vielfalt der Buchkultur wird von Politik und Gesellschaft nicht genügend ernst genommen oder ist unbekannt“, heißt es in einem öffentlichen Appell an die deutsche Öffentlichkeit der diesjährigen Jury. Auf der Homepage des Vereins steht, die Hotlist der unabhängigen Verlage sei „zu einem der wichtigsten Instrumente geworden, um das zu zeigen, was die unabhängigen Verlage für den Reichtum, die Qualität und den Erfolg der Buchkultur im deutschsprachigen Raum leisten“. Mit dem Aufruf „Es gibt viel zu verlieren“ fordert die diesjährige Hotlist-Jury eine staatliche strukturelle Verlagsförderung, um die verlegerische Vielfalt zu erhalten. Diese Unterstützung gibt es in Österreich und der Schweiz bereits seit Jahren. Mehr zu diesem Appell und warum die Unterstützung kleiner Verlage wichtig ist, findet ihr hier.
Zur Entstehung der Hotlist
Aus der Empörung über den Buchpreis 2009 entsprang die von 20 unabhängigen Verlegern anarchisch aufgestellte Behauptung, sie hätten die 20 besten Bücher des Jahres; die Wahl fand ausschließlich über das Internett statt. Im Folgejahr bewarben sich bereits 110 Verlage, dieses Jahr waren es 204. Mit der Zeit entstand ein genauer Ablauf für die Wahlen. Zunächst entscheidet ein Kuratorium aus den Einreichungen sich für eine Liste von 30 Büchern, aus denen durch eine Publikumswahl im Internet 3 Topkandidaten gewählt werden. Es folgt eine Jury, die ebenfalls 7 Bücher auswählt. Die Bücher der Jurywahl und der Publikumswahl bilden letztendlich die 10 Bücher der Hotlist.
Der Schritt auf die Hotlist ist bereits ein großer Erfolg. Die Jury entscheidet zusätzlich über einen ersten Platz, welcher mit 5.000€ dotiert ist, und besondere verlegerische Leistung auszeichnet. Ebenfalls an einen Kandidaten der Hotlist verliehen wird der „Dörlemann ZuSatz“, hier stiftet die Firma Dörlemann Satz einem Verlag Satzarbeiten für das nächste Buch im Wert von 1.500€.
Preisverleihung
Dieses Jahr war ich zum ersten Mal bei der Frankfurter Buchmesse und ich bin mit leichter Desorientierung und einer Man-kann-ja-mal-gucken-Einstellung bei der Vorstellung der Hotlist auf der Buchmesse gelandet – und der Name des Moderators kam mir bekannt vor… Aber woher? Es dauert ein bisschen, bis es mir wieder einfiel: Herr von Ernst hatte „damals“ die Praktikumsvorbereitung an meiner Uni geleitet! Ich wollte gerne wissen, ob ich mich nicht doch vertue und zwischen einigem „ach, ich geh erstmal, den finde ich schon wieder – nein, auf dieser Messe findest du NIEMANDEN wieder“ und „quetsch ich mich jetzt in das Gespräch, das er gerade führt oder stehe weiter hier im Schatten und tu so, als wäre ich an was ganz anderem interessiert?“ habe ich doch eine Lücke gefunden. Schnell stellte sich heraus, ihm ging es genauso! Wir kannten den Namen des anderen, aber – Zoom keinen Dank geschuldet – das Gesicht des anderen war nicht hängen geblieben. Und so kam es, dass ich nach einem sehr netten Plausch auf meiner ersten Buchmesse zu meiner ersten Buchpreisverleihung mit After-Party eingeladen wurde! An dieser Stelle noch einmal Herzlichen Dank an Herrn Ernst, den ich an dem Abend leider nicht mehr persönlich erwischt habe. Lasst euch dies eine Anekdote sein, die euch daran erinnert, eure Netzwerke zu pflegen und Chancen zu ergreifen, wenn ihr sie seht!
Die Preisverleihung am Freitag begann wieder mit einer Einleitung von Axel von Ernst, welcher großen Dank für die Organisation im Literaturhaus und für das Kuratorium aussprach. Dank bekamen auch die Sponsoren Fondation Michalski, die orell füssli-Filialen am Bellevue und Kramhof in Zürich, Dörlemann Satz und der Börsenverein des deutschen Buchhandels. Dank ging ebenso an jegliche Unterstützung nicht finanzieller Art: Book2look, welche die Leseproben erstellt, Ruth Eising von Rebook macht die Pressearbeit, Katarina Rafailović kümmert sich um den Hotlist-Instagramaccount, indiebook für den Vertrieb und die Auslieferungen Prolit, Mohr Morawa, AVA, Die Werkstatt und Runge. Außerdem wurde dazu aufgerufen, wer Politiker:innen kennt, diese anzusprechen und aufzufordern, sich für die strukturelle Verlagsförderung einzusetzen.
Die Moderation der Vorstellung der Hotlist und Preisverleihung wurde von Anna Engel übernommen. Nach der Vorstellung der Hotlist wurde der Inhalt des Dörlemann Preises von Frauke Czwikla erläutert. Erhalten hat diesen das Verlagshaus Berlin für „Irgendwas Dazwischen“ von Odile Kennel.
Für die Preisverleihung wurden die Juror:innen Bozena Badura, Ludwig Lohmann und Tino Schlench auf die Bühne gebeten. Den ersten Platz der Hotlist belegt der Wallstein Verlag mit „Nach den Fähren“. Für die Jury hervorgestochen ist der Roman durch das hervorragende Lektorat, weil er gegenwärtige Themen anspricht (Tourismus und Zivilisationskritik, Einsamkeit, Wiederannäherung), aber auch die sprachliche Ebene hat überzeugt. Und mit einem „Auf viele weitere Bücher!“ wurde das Publikum auf die After-Show-Party entlassen.