Jura kann ja bekanntlich sehr trocken sein. Trotzdem ging ich jeden Montagabend, pünktlich um 18.15 Uhr, an die Hochschule und ließ mir in einer 90-minütigen Vorlesung (oder war es doch eher eine kostenlose Rechtsberatung?) aktuelle Entwicklungen und Rechtsfälle aus dem Urheberrecht näherbringen. Und es hat mir Spaß gebracht! Wieso? Weil jeder, der in der Verlagsbranche tätig ist, sich auch mal mit unbequemen Themen auseinandersetzen muss.

 

Das Urheberrecht bestimmt in Deutschland seit 1965 die Zusammenarbeit zwischen Urhebern, Verlagen und Verwertungsgesellschaften. Dr. Stefan Haupt, Rechtsanwalt aus Berlin, gab auf der Leipziger Buchmesse einen Einblick in die aktuelle nationale sowie internationale Rechtslage.

 

Der steinige Weg der Digitalisierung

„Die entscheidende Frage im Urheberrecht ist nicht die, was der deutsche Gesetzgeber will, sondern von welchen EU-Richtlinien das Urheberecht geprägt ist“, betont Haupt und erklärt, dass alle nationalen Gesetzesentwürfe nach den Richtlinien der Europäischen Union auszugestalten sind (bitte nicht verwechseln mit den EU-Verordnung; die wirken unmittelbar). So auch mit der Urheberrechtslinie, die eine „Harmonisierung einiger zentraler Fragen des Urheberrechts, insbesondere des Vervielfältigungs- und Verbreitungsrechts“ fordert. Bis dato herrschen starke Unterschiede in den Mitgliedstaaten, die eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit erschweren und damit auch zu Lasten des Verbrauchers fallen.

Das Positionspapier zur Digitalisierung von Günther Oettinger fordert eine Gewährleistung der grenzüberschreitenden Portabilität von Online-Inhaltediensten im europäischen Binnenmarkt. Die Gründe liegen klar auf der Hand: Technologische Entwicklung portabler Geräte und eine wachsende, grenzüberschreitende Nachfrage der Verbraucher bestimmten das Mediennutzungsverhalten. Das Urheberrecht ist zu modernisieren. Oettinger fordert den Aufbau eines digitalen Binnenmarktes als Konzept für Europa im Digitalzeitalter. Ziel ist es, europaweite Einschränkungen zu reduzieren. Denn Nutzer dürfen legal erworbene oder abonnierte digitale Inhalte in ihrem Mitgliedsland, die urheberrechtlich geschützt sind, eigentlich nicht in anderen Mitgliedsstaaten nutzen (keine Sorge um euer analoges Buch!). Eine entsprechende EU-Verordnung wird derzeit vorgelegt. Der breite Zugang zu kulturellen Inhalten und die Erweiterung der Schranken-Regulierungen (Einschränkung des Urheberechts) sollen gestärkt werden, gleichzeitig aber der Schutz des geistigen Eigentums gewährleistet werden.

 

 

Verwertungsgesellschaften in der Bredouille

In Deutschland existieren verschiedene Verwertungsgesellschafen zum Schutze von Urhebern und ausübenden Künstlern. Die VG Wort ist insbesondere für Verlage relevant. Die Verwertungsgesellschaft Wort verwaltet die Vergütung aus Zweitverwertungsrechten an Sprachenwerken (Verleih, Digitalisierung oder Kopien). Die Erlöse werden bis dato zur einen Hälfte an die Urheber der Werke (Autoren, Künstler oder Übersetzer) und zur anderen Hälfte an die Verwerter (Verlage) ausgeschüttet. Insbesondere die Ausschüttung der Erlöse an die Verwerter wird aktuell infrage gestellt. Der Europäische Gerichtshof hielt dies für rechtswidrig und entschied, dass Verlage nicht zwangsläufig einen Anspruch auf eine Ausschüttung haben. Die Klage von des Autors Martin Vogel gegen die VG Wort wurde in beiden Instanzen (EuGh und BGH) stattgegeben. Die VG Wort kündigte bereits an, dass Urteil analysieren zu lassen.

 

Die Polarisierung der Verlagsbranche

Dann hätten wir noch das Urhebervertragsrecht, dass die vertraglichen Verhältnisse zwischen Kreativen und Verwertern, also Autoren und Verlagen, regelt. Das Problem liegt in einer aktuellen Vertragsparität, die sich in unangemessen Vertragsbedingungen und einem Total-Buyout äußert.

Das Total-Buyout beschreibt die Veräußerung aller Rechte an einem Werk. Problematisch kann das Buyout werden, wenn sich die Vergütung des Autors im Nachhinein als unangemessen darstellt. Die Frage lautet hier jedoch, was als „angemesse Vergütung“ gelten kann. Das Defizit bleibt: Die fehlende Markt- und Handlungsmacht der Urheber, um ihren Anspruch auf angemessene Vergütung durchzusetzen.

Auch hier sind Reformen gefordert, die eine Stärkung der Urheber und ausübenden Künstler verlangen. Ein Referentenentwurf sieht wie folgt aus: Beteiligungsentwurf bei mehrfacher Nutzung, Anspruch auf Auskunft und Rechenschaft und Rückrufsrecht wegen anderweitiger Verwertung. Insbesondere der letztgenannte Punkt polarisiert seit Ende 2015 in der Verlagsbranche. Dem Gesetzentwurf zufolge könne ein Autor, sobald fünf Jahre seit seiner Manuskriptabgabe an den Verlag vergangen seien, jederzeit die Rechte vom Verlag zurückrufen – sofern ihm ein besseres Angebot für ihre Nutzung vorliege. Ein schneller Aufschrei folgte sowohl von namenhaften Autoren, als auch von Verlagen. Schaden tut dieser Entwurf insbesondere mittleren und kleineren Verlagen. Die Dominanz großer Verlagshäuser würde jedoch eingedämmt werden. Und: Behauptungen werden laut, dass Urheber, die ihre Ansprüche durchsetzen wollten, auf „schwarzen Listen“ landeten; eine Art der Publikationsverweigerung seitens der Verlage. Der zweite Entwurf sieht nun eine Laufzeit von 10 Jahren vor.

Was bleibt, sind weiterhin halbzwingende Regulierungen der Politik, die eine Polarisierung vorantreibt. Hinzukommen die bereits oben erwähnten Bildungsschranken. Die aktuellen Regulierungen beinträchtigen insbesondere die Nutzung digitaler Medien und Kommunikationssysteme für die Schaffung von Wissen an Schulen und Hochschulen. Das Problem: Die nationale Gesetzgebung kann aktuell nicht darüber hinausgehen, was die EU-Richtlinien vorgeben. Und so sind auch hier EU-weite Bemühungen zur Schaffung einer Bildungs- und Wissenschaftsschranke anzustellen.

Es bleibt festzustellen, dass das Urheberrecht mit wachsender Digitalisierung und einer Veränderungen des Marktes angepasst und erweitert werden muss. Dazu gehören Erweiterung der Schranken-Regulierungen und die Stärkung eines digitalen Binnenmarktes. Die zentrale Frage nach einer angemessenen Vergütung aller Urheber und ausübenden Künstlern ist dabei nicht zu ignorieren.

 

Claire Briatore