Pressesturm auf die Gewinnerin (© Norsin Tancik)

Pressesturm auf die Gewinnerin
(© Norsin Tancik)

Deutscher Buchpreis 2012: Ursula Krechel setzt sich mit ihrem Roman „Landgericht“ (Jung und Jung) durch und erhält ein Preisgeld in Höhe von 25.000 Euro.

Alle im Kaisersaal hielten um genau 18.55 Uhr den Atem an – die Autoren, Verleger, Presseleute, Gäste – bevor der Börsenvereinsvorsteher Gottfried Honnefelder den Spekulationen ein Ende bereitete: Ursula Krechel erhält für ihren im Jung und Jung Verlag erschienen Roman „Landgericht“ den Deutschen Buchpreis 2012. Nach der gespannten Stille folgte der Pressesturm auf die im Jahr 1947 geborene Autorin, die sich gegen Ernst Augustin, Wolfgang Herrndorf, Clemens J. Setz, Stephan Thome und Ulf Erdmann Ziegler durchsetzte.

Deutscher Buchpreis 2012 (© Norsin Tancik)

Deutscher Buchpreis 2012
(© Norsin Tancik)

Mit Mut gegen jegliche Kritik
Die Nominierten auf der Shortlist zum Deutschen Buchpreis hatten dieses Jahr ein besonders hohes Niveau. Vor allem auf das Nachkriegsdeutschland hatten sie ihren Schwerpunkt gelegt. Während der Preisverleihung am Römer beschäftigte sich Honnefelder in seiner Rede aber vor allem mit den Themen Mut und Verantwortung. Er spielte damit auf eine grundlegende Kritik der diesjährigen Auswahl an: „Und wenn in einem Jahr drei Romane der Shortlist aus demselben Verlag kamen, dann gehört auch zu einer solchen Entscheidung Mut.“ Gert Scobel, der den Abend sehr gekonnt moderierte, entlockte dem Jury-Sprecher Andreas Isenschmid die dazu passenden Worte: „Für uns hat nur die Qualität gezählt, nicht der Verlag, nicht andere Buchpreise.“

Gewinnerin des Deutschen Buchpreis 2012: Ursula Krechel (© Norsin Tancik)

Gewinnerin des Deutschen Buchpreis 2012: Ursula Krechel
(© Norsin Tancik)

Von einem, der nach Hause fuhr und doch nie ankam
Und schließlich setzte sich Ursula Krechel mit ihrem Roman bei der Jury durch – gegen insgesamt 162 gesichtete Titel aus 90 Verlagen. Doch worum geht es in „Landgericht“ und was hat die Jury so sehr fasziniert? Es ist die Scheinidylle, die Krechel beschreibt, und die Geschichte des jüdischen Richters Richard Kornitzer, der nach seiner Vertreibung durch die Nazis ins Nachkriegsdeutschland zurückkehrt und eigentlich nie richtig ankommt. Er ist das Opfer, kämpft für eine Entschädigung, die er allerdings niemals erhält. Der sachliche, unaufgeregte Chronikstil des Romans gleicht sich der Sichtweise der sehr rational veranlagten Juristen der damaligen Zeit an, die Krechel auf ihrer Recherchereise genau studiert hat. Um seine Emotionen zu verbergen, richtet Kornitzer seine Wut zum Schluss gegen sich selbst.

Eine Geschichte für die Opfer
Es ist ein Thema, das bewegt. Die Frau ist traumatisiert, die Kinder wuchsen in England auf und haben sich von ihren Eltern entfremdet und ihre eigene Herkunft verleugnet. In ihrer Dankesrede betonte Ursula Krechel, dass sie das Leben dieser Opfer des Zweiten Weltkriegs darstellen wollte, die nie entschädigt wurden. Andreas Isenschmid von der Jury betonte: „Der Roman beschreibt eine Seite der Bundesrepublik, die wir lieber nicht kennengelernt hätten.“

Norsin Tancik