Nicht nur, dass die Frauen in der Überzahl sind, der Trend vom ersten Tag setzt sich fort – gerade die Texte der Männer wurden nicht gut besprochen. In den zweiten Tag startete Peter Truschner für uns mit seiner Kurzgeschichte „RTL-Reptil“, die Hubert Winkels im Bau an ein griechisches Drama erinnerte. Die Hauptfigur steuert dabei auf eine Tat zu, die u. a. aufgrund von Spielschulden unausweichlich scheint. Dabei gefiel Stefan Gmünden, der Truschner einlud, das Psychodrama zwischen den zwei Polen von Allmacht und Ohnmacht. Der Rest der Jury konnte sich eher weniger mit einem Erzähler anfreunden, der immer versuche, klar zu machen, was er denn gerade wolle (Maike Fessmann). „Er konnte damals nicht anders.“ So steht es im Text, „einem riesig großen Haufen voller Floskeln“, findet Klaus Kastberger. Ebenso urteilt er, der Text sei nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems.

Das Manifest 47 „KRIEGER SEIN BRUDER SEIN“ war der zweite Text des Tages und sehr kontrovers diskutiert. Dabei fand jedes Jurymitglieder Pro- und Kontrapunkte zu der Liebesgeschichte in einem totalitären Ordnungssystem, wo die Bevölkerung von Scharfschützen bewacht, mit Kirschkernen bespuckt und willkürlich erschossen wird. Maike Fessmann befindet sehr treffend, dass die Autorin das Fragment gegen diese Form der Ordnung halte und in der Wiederholungsstruktur ergebnislos sei. In der Liebesgeschichte ist aber wohl doch auch etwas von „Weltharmonie“ (Juri Steiner)angelegt. Diese unterschiedlichen Lesarten spitzten sich auch dahingehend zu, dass man sich weder auf eine Gattungszugehörigkeit einigen konnte, noch, ob man es jetzt allegorisch oder doch realistisch bzw. politisch lesen sollte. Wobei der Text unter ästhetischen Gesichtspunkten in seiner Performanz sicher aufgeht.

Der Textauszug „Zum Paradies“ des zweiten Autoren dieses Tages wurde wiederum eher abgeurteilt. Tim Krohn nahm sich hier keine geringere Geschichte als die Vertreibung des Menschen aus dem Paradies zum Ausgangspunkt für eine literarische Bearbeitung, welche die Fragen aufwirft: Fleisch oder nicht Fleisch? Zu welchem Zweck dürfen Adam und Eva die Blassend-Rehe töten? Welchen Hunger damit befriedigen? Diese biblische Verarbeitung hielt man aber eher für einen netten Kinderbuchtext mit Welterklärungsstoff (Hildegard Keller) oder eine bräsige Nacherzählung der Schöpfungsgeschichte (Maike Fessmann). Klaus Kastberger hätte davon nach eigenen Angaben zwar ruhig noch mehr haben können, aber wohl eher, weil ihm – wie er einräumt – die Vertreibung aus dem Paradies mit der Entdeckung von Sexualität und Ungehorsam einen Wow-Effekt bescheren würde.

Katharina Tummes