Nach einer kurzen Pause ging es dann auch unvermittelt weiter. Paul Reger war der nächste in der Riege der Lesenden. Bei seinem Text „Brot, Brot, Brot“ ist das Scheitern verschiedener Figuren nebeneinander geschaltet. Von dem Innenleben eines arbeitslosen Alkoholikers erfährt man hier ebenso wie von dem einer ausgebrannten Ärztin. Während die einen die ganze Geschichte noch als „Staatsallegorie“ (Sandra Kegele) lasen, war sich doch der Großteil der Jury einig: Die Figuren seien zu „schablonenhaft“ wie aus einem „Klischeekaufhaus“ (Stefan Gmünder) und einem würde der gesamte Gemütszustand der Figuren „inklusive sozialer Deklassifizierung“ (Hubert Winkels) präsentiert. Insgesamt also ein Text, der in seiner Anlage durchaus reizvoll, aber auch in Hinblick auf die Sprache noch ausbaufähig erscheint.
Einigermaßen einig war sich die Jury auch beim letzten Text des ersten Tages. Die Kurzgeschichte „Das Bein“ von Valerie Fritsch erzählt von einem Sohn, der sich um seinen Vater kümmert. Bei einem Unfall verlor der ehemalige Tänzer ein Bein und wird seitdem von Phantomschmerzen heimgesucht, bis er seinem Leid mit einem Schuss in den Kopf sein Ende setzt. Eine ödipale Geschichte, bei der sich ein Sohn in die Kastration des Vaters hineindenke. (Hubert Winkels) Es sei der literarischste Text (Klaus Kastberger) und Jury Steiner spürte sogar das Leid der Figuren. Das liegt sicher auch daran, dass die Autorin es schafft, mit überraschender „Einfühlsamkeit und Kälte“ (Maike Fessmann) zu erzählen.
Katharina Tummes