von Norma Schneider

Während in der Wirtschaft ein Erasmusaufenthalt oder Auslandspraktikum längst als Muss einer erfolgreichen Bewerbung gilt, wird in der Buchbranche oft der Fokus auf anderes gesetzt. Lohnt es sich für Berufseinsteiger und Young Professionals trotzdem, ins Ausland zu gehen? Und welche branchenspezifischen Möglichkeiten gibt es? Zu diesen Fragen fand im Rahmen des Young Professionals‘ Day 2019 am Messesamstag eine Podiumsdiskussion statt. Mit dabei waren Isabell Schneider, Team Leader Production Journals bei Springer Nature, die ein Praktikum in Indien absolviert hat, Niki Théron, die internationale Förderprogramme der Frankfurter Buchmesse, u. a. das Paris-Frankfurt-Fellowship, betreut, und Peter Kraus vom Cleff, Geschäftsführer des Rowohlt Verlags, der sich als Vizepräsident des europäischen Verlegerverbands für die europaweite Vernetzung der Buchbranche einsetzt. 

Abenteuer Indien

Springer Nature bietet mit dem „Cross Cultural Internship“ in Indien eine attraktive Möglichkeit, Auslandserfahrungen in der Buchbranche zu sammeln. Isabell Schneider möchte die sieben Monate, die sie in Pune verbracht hat, nicht missen. Der Kulturschock sei anfangs sehr groß gewesen: Man steigt aus dem Flugzeug und alles ist plötzlich ganz anders. Doch die hervorragende Betreuung der Praktikanten sowohl im Vorfeld als auch vor Ort haben enorm geholfen. Es wurden Interkulturelle Workshops angeboten, eine Wohnung gestellt und gemeinsame Ausflüge organisiert. In der Zusammenarbeit mit den indischen Kollegen hat Isabell Schneider gelernt, ihre eigene Art, zu arbeiten und zu kommunizieren, nicht als die einzig richtige anzusehen, und Strategien entwickelt, die Kommunikation an die Gesprächspartner anzupassen. Wenn man ins Ausland geht, sei es wichtig, sich bewusst zu machen, dass man dort zwar vielleicht alles komisch findet, aber für die Menschen dort selbst „der Komische“ ist, betont sie. 

Deutsch-französischer Kulturaustausch

Wen es nicht ganz so weit in die Ferne zieht, für den ist vielleicht eins der vielen internationalen Austauschprogramme der Frankfurter Buchmesse etwas: das Paris-Frankfurt-Fellowship. Hier geht es vor allem um die Vernetzung zwischen jungen Menschen aus der deutschen und französischen Buchbranche. Bewerben können sich berufsübergreifend – von der Lektorin bis zum Buchhändler – alle unter 35, die Französischkenntnisse haben. In Seminaren und Workshops sowie auf Studienreisen durch Deutschland und Frankreich lernen die TeilnehmerInnen die Kultur und die Arbeitswelt der Branche im Nachbarland kennen. So wird Sensibilität und interkulturelle Kompetenz geschaffen, erläutert Niki Théron. Solche Erfahrungen sind nicht nur für Lizenzleute und ÜbersetzerInnen wichtig, sondern für jeden wertvoll. 

Die europäische Stimme der Branche

Die Federation of European Publishers (FEP) will die Interessen der Verlage in ganz Europa bündeln und in Brüssel und Straßburg zur Sprache bringen. Sie betreibt Lobbyarbeit für die Buchbranche und dient der Vernetzung und dem Austausch von VerlegerInnen aus 29 Ländern. Wichtige Themen sind dabei zum Beispiel das Urheberrecht oder die Besteuerung von Büchern. Die Vorstellungen von Menschen und Unternehmen aus so vielen verschiedenen Ländern gehen natürlich oft auseinander, doch der Wunsch, Bücher zu machen, verbindet sie über alle Landesgrenzen hinweg, sagt Peter Kraus vom Cleff. Die FEP bietet auch für junge Buchmenschen Möglichkeiten für Auslandserfahrungen. Im Rahmen des Programms „Young Publishing Professionals in Brussels“ können aus jedem Land zwei TeilnehmerInnen unter 35 nach Brüssel reisen, sich dort über europäische Politik informieren und mit jungen Abgeordneten vernetzen.

Spaß an neuen Erfahrungen ist das Wichtigste  

Die TeilnehmerInnen waren sich einig: Es ist immer eine wertvolle Erfahrung, Zeit im Ausland zu verbringen. Dabei sollte es nicht so sehr darum gehen, sich einen Nutzen zu versprechen und den Lebenslauf zu pimpen. Wichtig ist es eher, offen zu sein für neue Erfahrungen, das zu tun, worauf man Lust hast, und Neues auszuprobieren. Die Dinge aus einer anderen Perspektive zu sehen und andere Lebens- und Arbeitsweisen kennenzulernen erweitert den Horizont und schafft Empathie. Das ist immer wertvoll – für den beruflichen Erfolg in einer Branche, in der Offenheit und Empathie wichtige Werte sind, und natürlich für die eigene Persönlichkeit. Man lernt, sich auf unerwartete Situationen einzustellen und das zu hinterfragen, was man für normal und selbstverständlich gehalten hat.