Eine Veranstaltung über die Studie ‚Publishing 4.0 – Chancen, Anforderungen, Konzepte’

‚This is what we share: Unter diesem Motto präsentieren sich Flandern und die Niederlande als Ehrengast der Frankfurter Buchmesse 2016. Flandern und die Niederlande teilen nicht nur eine gemeinsame Sprache, das Niederländische, sie können auch auf eine gemeinsame Geschichte zurückblicken, besonders im Bereich der Kultur und Literatur.“ So heißt es auf dem Internetauftritt des Ehrengastes der diesjährigen Messe (https://www.frankfurt2016.com/de)

Gemeinschaftsstand ‚Studium rund ums Buch’ ©Tobias Mohr

Gemeinschaftsstand ‚Studium rund ums Buch’ ©Tobias Mohr

Doch auch sonst werden bei der Buchmesse viele Sachen nahegebracht: Vor allem Bücher! Aber auch Ideen und Studien werden der interessierten Hörerschaft vermittelt. Die Buchmesse-Tage von Mittwoch bis Freitag gelten nämlich ausschließlich als Fachbesucher-Tage, weswegen es nicht verwunderlich ist, dass besonders an diesen Tagen Info-Veranstaltungen dieser Ausrichtung stattfinden. Und natürlich überrascht es genauso wenig, dass diese unter anderem beim Gemeinschaftsstand ‚Rund ums Buch‘ (Halle 4.1, B73) zu finden sind. Schließlich bietet sich dort eine Möglichkeit für die buchaffinen Studiengänge der Universitäten (FAU Erlangen; Uni Leipzig; JGU Mainz; LMU München) und Hochschulen (HTWK Leipzig; HdM Stuttgart), ihre neuesten wissenschaftlichen Forschungsergebnisse öffentlichkeitswirksam vorzustellen.

Direkt zum Start der Buchmesse ließ das Institut für Buchwissenschaft der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) in Erlangen in Person von Jörn Fahsel aufhorchen. Er stellte im Rahmen der Veranstaltung ‚Publishing 4.0 – Chancen, Anforderungen, Konzepte’ die zehn Kernaussagen der gleichnamigen Studie vor. Diese hatte das Institut für Buchwissenschaft gemeinsam mit seinen Kooperationspartnern Heinold, Spiller & Partner und Xeditor/Xpublisher herausgebracht. Publishing 4.0 folgt dem Muster des Industrie 4.0-Konzepts und eröffnet Verlagen neue Gestaltungs- und Geschäftsperspektiven. Das klingt spannend – und dementsprechend gut war die Veranstaltung auch besucht, gerade angesichts der Tatsache, dass sie gleich am Mittwochmorgen um 10 Uhr quasi den Auftakt des ersten Messetags bildete.

Die Kernaussagen der Studie Publishing 4.0

Die Kernaussagen der Studie Publishing 4.0

Vorstellung der Studie

Fahsel sprach über den aktuellen Status und die damit verbundenen Chancen und Anforderungen in der Buchbranche. Gerade die Digitalisierung bringe neue Anforderungen an Wertschöpfungsprozesse und Kompetenzen, neue Produkte und neue Möglichkeiten mit sich. Es gäbe nun eine Diversität wie noch nie zuvor in der Geschichte des Lesens, so Fahsel sinngemäß. Bei dieser Palette an Möglichkeiten würde die konsequente Kundenorientierung heutzutage umso wichtiger, denn schließlich entscheide neben Qualität auch Geschmack über den Erfolg der Produkte. Aus diesem Grund lautet die zweite These auch: „Von Hybridmedia zu Content-Services: Konsequente Kundenorientierung ist der Kern von Publishing 4.0.“ Dabei handele es sich um keine neue Idee, jedoch gäbe es heutzutage andere Voraussetzungen: Neue Technologien, Privilegien, Geschäftsmodelle (Fachportale, Lehrplattformen), Konzepte, Assistenzsysteme und vieles weitere. Design Thinking lautet in diesem Zusammenhang der entscheidende Fachbegriff.

Nach einer Definition des Begriffes Publishing 4.0 erzählte Fahsel, dass sich der Forschungszeitraum über drei Jahre erstreckte. Zunächst stellte er mit Hilfe einer vorbereiteten Präsentation bestimmte Trends in der Medienwelt fest, bei denen er überprüfte, ob diese auch in Verlagen vorzufinden seien. Wenn dies der Fall war – vielfach war es so –, wurden die Beobachtungen fortgesetzt. Dies geschah unter anderem durch mehrere Projektarbeiten und wissenschaftliche Arbeiten, auch von Seite der Studierenden. Er betonte, dass es sich bei der Studie um eine Gemeinschaftsarbeit handele.

Markus Dömer (Carlsen; 3.v.r.) spricht über das Pappbilderbuch ‚Leyo! Im Wald’ (Autorin: Bärbel Oftring), das 2016 im Verlag erschien und bei dem die zusätzliche Augmented reality-Technik den Kindern einen besonderen Mehrwert bietet.  ©Tobias Mohr

Markus Dömer (Carlsen; 3.v.r.) spricht über das Pappbilderbuch ‚Leyo! Im Wald’ (Autorin: Bärbel Oftring), das 2016 im Verlag erschien und bei dem die zusätzliche Augmented reality-Technik den Kindern einen besonderen Mehrwert bietet. ©Tobias Mohr

Die Podiumsdiskussion: Stimmen die Thesen?

Es folgte eine Podiumsdiskussion, die Ehrhardt Heinold (Unternehmensberatung Heinold, Spiller & Partner) moderierte. Petra Michael (Cornelsen), Franziska Schiebe (Verlagsgruppe Beltz) und Markus Dömer (Carlsen) als Vertreter der Verlagsbranche und Matthias Kraus (Xeditor/Xpublisher) aus Technologieperspektive beleuchteten die Möglichkeiten der Digitalisierung für die Verlags- und Medienbranche. Während der Podiumsdiskussion und im Anschluss daran konnten Fragen an die Teilnehmer der Diskussion und Beteiligten der Studie gestellt werden. Diese Möglichkeit wurde rege genutzt, auch um im Austausch die Richtigkeit der Thesen zu überprüfen.

Während der Diskussion wurde besonders auf die fünfte („Produktvarianten bis hin zu individuellen Medienprodukten und Services brauchen Automatisierung, Standardisierung und Geschäftsprozessmodellierung“) und zehnte These („Publishing 4.0 bedeutet die Einstellung auf die permanente Veränderung von Kundenbedürfnissen, Wettbewerbsumfeld und Geschäftsmodellen“) eingegangen. Die Diskussionsteilnehmer bestätigten durch eigene Beispiele und Gedanken die Richtigkeit dieser Thesen. Andere Aussagen seien hingegen aktuell (noch) nicht so relevant, erwähnte Schiebe. Sie äußerte auch, dass Standardisierung und Automatisierung immer genügend Freiraum für Kreativität und Individualismus bieten müsse.

Als nach den neuen digitalen Vernetzungsmöglichkeiten gefragt wurde, verwies Dömer auf neue Tools und Plattformen, die notwendigerweise standardisiert sein müssten. Diese hätten Einfluss auf den Produktentwicklungsprozess, an dem von Anfang an 10–15 Leute beteiligt seien. Dafür brauche es Leute, die Teamwork beherrschen, eine Voraussetzung, die zukünftig noch mehr über verschiedene Abteilungen, Verlage und Firmen hinweg funktionieren müsse. In diesem Zusammenhang erinnerte Petra Michael daran, dass die Halbwertszeit von vielen Tools gerade einmal ein halbes Jahr betrage, weswegen immer regelmäßige Updates durchgeführt werden müssten. Bezugnehmend auf die bereits erwähnte zehnte These lässt sich sagen, dass individuelle Anpassungen, permanente Veränderung sowie ein sehr agiles Softwareleben entscheidende Bestandteile der heutigen Arbeit sind.

Uneinigkeit herrschte darüber, an welcher Stelle die Produktionskette anfinge. Beim Autor oder beim Kunden? Zumindest nicht mehr beim Verlag wie früher. Das Kennen der Kunden und die damit verbundene Kundenorientierung (zweite These; siehe oben) seien entscheidend bei Publishing 4.0 – besonders darum gehe es in der Zukunft! In diesem entscheidenden Punkt waren sich alle einig.

 

Die Studie ist kostenlos und kann ab Dezember 2016 als PDF von den folgenden Websites heruntergeladen werden:
www.buchwiss.fau.de, www.hspartner.de, www.xeditor.de, www.xpublisher.de

Die Kernaussagen der Studie können hier nachgelesen werden:

https://www.buchwiss.fau.de/fileadmin/redaktion/Sonstige_Dokumente/P4.0-Studie-2016/P4.0-Studie-2016_Management_Summary.pdf

 

Tobias Mohr