Geschichten berühren über den Moment hinaus. Wer Geschichten liest, will sich fühlen wie der Held, trinken was der Protagonist trinkt und vielleicht sogar die Musik hören, die eine Romanfigur mag. Das war das Fazit von Vala Vakili, dem CEO von Small Demons, dessen Vortrag ein Highlight des ersten StoryDrive-Tages war.
Der Stand der Entwicklung automatisierter Empfehlungssysteme, wie sie zum Beispiel Amazon oder Libri anbieten, bezeichnete er zu Beginn als „Flatline“. Heißt, der Patient ist hirntot. Wer ein Buch kauft, bekommt nur andere Bücher empfohlen, aber nicht vielleicht auch zum Buch passende Musik. Und wer eine Waschmaschine erwirbt, bekommt monatelang immer wieder Waschmaschinen empfohlen.
Stattdessen riet er Bücher oder Comics – er outete sich als begeisterter Comic-Fan – als Empfehlungssystem zu entdecken. Dazu bot er dem Publikum einige Beispiele aus dem eigenen Leben. Darunter der Comic „Casanova“, dessen Kapitel nach Liedern verschiedener Interpreten benannt sind. Er habe sich diese Titel gekauft und sie in der Reihenfolge der Comickapitel als Playliste für seine Joggingrunden verwendet. Außerdem berichtete er von der Marseille-Trilogie des Autors Jean-Claude Izzo, die ihn dazu bewogen habe, seine Reisepläne zu verändern und eine ganze Woche in Marseille statt in Paris zu verbringen.
Die Empfehlungen seiner Freunde, die ihm gleichzeitig unbedingt die Serie Battlestar Galactica nahebringen wollten, hätten dagegen überhaupt nicht gefruchtet.
Kleine Dämonen
Auf dieser Erkenntnis hat Valla Vakili nicht nur seine Idee, sondern auch sein Unternehmen „Small Demons“ aufgebaut. Er und seine Mitarbeiter haben bislang 10.000 Bücher nach Verweisen auf reale Werke, Orte, Getränke, Speisen und Personen durchsucht. Verweise, die die Literaturwissenschaft auch als „Intertextualität“ bezeichnet. Das geschah zum großen Teil in Handarbeit, denn die automatische Erfassung arbeitet derzeit noch nicht fein genug.
Valla Vakili berichtete auch von den kleinen Entdeckungen und Triumpfen wie der Entdeckung eines kleinen, heruntergekommenen Diners in Los Angeles, das in einem von William Gibsons Büchern vorkommt.
Um einen Eindruck der Idee zu erhalten, lohnt sich ein Besuch auf smalldemons.com. Denn mal ehrlich, wer hat nicht schon einen Earl Grey getrunken, weil es der beliebteste Captain der Sternenflotte tut, oder wer wollte nicht schon wissen, in wie vielen Büchern Oreo-Kekse erwähnt werden?
Mela Eckenfels