Donnerstag 10:30 Uhr auf der Frankfurter Buchmesse. Nach einer gefühlten kleinen Ewigkeit in den Warteschlangen an Garderobe und Taschenkontrolle kämpfe ich mich durch die übervollen Gänge, über mehrere überladene Rolltreppen und ergattere schließlich mit etwas Glück den letzten Sitzplatz vor dem Literary Agency-Center in Halle 6.3. Der Tag hat noch gar nicht angefangen und ich bin ehrlich gesagt schon fast ermattet. Aber die Müdigkeit ist schnell verflogen als ich Andreas Brunstermann in der Menschenmasse entdecke. Den erfolgreichen Literaturübersetzer – spezialisiert auf Übersetzungen aus dem Norwegischen – habe ich vor Jahren im hohen Norden auf einem Kongress kennengelernt. Nun möchte ich ihm hier auf der Messe für den Nachwuchs der Branche ein paar Fragen zu seinem Beruf zu stellen.

Seit 15 Jahren ist er als Übersetzer tätig und sehr erfolgreich. Kein Wunder, er hat darin seine Berufung gefunden. „Das ist genau das, was ich immer machen wollte!“, schwärmt er. Obwohl das lange Zeit gar nicht absehbar war. Denn er arbeitete einige Jahre in seinem ersten gelernten Beruf als Sozialpädagoge. Erst mit Mitte 40 kam er als Quereinsteiger über Umwege und die Tätigkeit in der Marketingabteilung eines Verlages zu seiner heutigen Profession, die aus seinem Leben inzwischen auf keinen Fall mehr wegzudenken ist. „Noch bevor ich erste Aufträge hatte, bin ich erst mal auf die Buchmesse gefahren – in 2003“, erzählt er. Wie der deus ex machina sei er in der Verlagswelt als Übersetzer aufgetaucht. Während er das preisgibt, spüre ich ganz deutlich, mit welcher Überzeugung er Übersetzer ist.

Ich möchte natürlich gerne wissen, ob sich durch den digitalen Wandel in der Buchbranche auch im Bereich Übersetzungen relevante Veränderungen ergeben haben. Für ihn selbst haben sich dadurch keine Neuerungen oder weitere Aufträge ergeben, erzählt er, aber ein Kollege (Übersetzer für Englisch und Französisch) konnte durch das E-Book tatsächlich ganz neue Kunden und Projekte dazugewinnen.

Mir brennt noch etwas auf der Seele, wonach ich Andreas Brunstermann fragen möchte. Ich will unbedingt wissen, was er dem Nachwuchs und jungen Talenten empfiehlt, die denselben Traum haben: Übersetzer zu werden. „Mit dem Wissen und der Erfahrung von heute würde ich persönlich mir sehr genau überlegen, ob ich den Weg noch einmal ginge.  Man muss sich darüber klar sein, dass man viel arbeitet, von dieser Arbeit beileibe nicht reich wird und die meiste Zeit allein ist. Ich glaube, jeder sollte sich die Frage stellen, ob er oder sie bereit ist, diese Konditionen hinzunehmen, um den Traumberuf Übersetzer auszuüben.“

Ich erfahre, dass die Normseitenpreise von Sprache zu Sprache verschieden sind, aber bei etwa 15 Euro pro Seite liegen. An einem Tag schafft ein erfahrener Übersetzer etwa 10 Seiten und für einen Krimi von rund 350 Seiten braucht er mindestens 6 Wochen zum Übersetzen.

Weil man beim Übersetzen vor allem voll konzentriert alleine arbeitet, ist Kooperation natürlich eine tolle Abwechslung – so macht Andreas Brunstermann das mit seiner Übersetzerkollegin Gabriele Haefs bei manchen gemeinsamen Übersetzungs-Projekten. „Wir haben ein ähnliches Gespür für Sprache, teilen uns eine Übersetzung und lernen dabei auch viel voneinander – so hat außerdem jeder von uns quasi einen Co-Lektor.“ Einen solchen Sparingspartner zu haben, das erspare auch dem Lektorat des Verlages viel Arbeit.

Die Tipps des Profis für junge Menschen, die Übersetzer werden wollen, sind: Auf außergewöhnliche und exotische Sprachen spezialisieren, das Übersetzen nicht als einziges Standbein haben, sondern lieber breiter aufstellen (er übersetzt zum Beispiel auch Filme und Drehbücher, Synchronisationen und Rezensionen), ganz wichtig sind Netzwerken (auf Seminaren, Messen, Lesungen, Literaturveranstaltungen oder an den Literaturtagen)und vor allem Disziplin.

Andreas Brunstermann selbst setzt auf die Buchmesse 2019, denn da ist Norwegen Gastland. Bis dahin haben Übersetzer skandinavischer Sprachen eine gute Zeit und Auftragslage, denn die norwegischen Titel sind stärker gefragt und so haben spezialisierte Übersetzer wie er richtig viel zu tun. Mit einem ironischen Grinsen im Gesicht sagt er zum Abschied: „Ob ich mich danach auf eine einsame Südseeinsel absetzen und in die Sonne legen kann?“ Wer weiß. Vielleicht bekomme ich ja eines Tages eine Postkarte aus der Ferne.

Isabella Kortz