Über Selbstbewusstsein, Networking und eine gesunde Portion Egoismus

Wer kennt sie nicht, die Debatten um Frauenquoten, die Rolle der Frau in der Gesellschaft, Genderdiskussionen oder die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau. Jüngst ergaben Studien, dass sich in Deutschland jede vierte Frau in einer Führungsposition befindet. Die Wege dorthin sind nicht immer geradlinig und oft nicht einfach. Gründe, weshalb ich mich in diese Gesprächsrunde am Messe-Freitag, seines Zeichens Karrieretag Buch+Medien, begeben habe.

 

Das Fachforum 2 in Halle 5 ist am Nachmittag bis auf den letzten Platz besetzt- hauptsächlich Frauen sind im Publikum, was mich natürlich nicht gewundert hat. Schließlich sprechen echte – und ich muss dieses Unwort bemühen – Powerfrauen über ihre außergewöhnlichen Karrieren in der Buchhandels- und Verlagsbranche und wie sie Karriere, und zum Teil auch Kinder, unter einen Hut bekommen haben. Trotzdem war diese Veranstaltung kein Treffen für Feministinnen, sondern eher eine für Erfahrungsaustausch.

 

Viele (Um-)Wege führen zur Führungsposition

Geführt wurde das Gespräch von Monika Kolb, Geschäftsführerin des mediacampus in Frankfurt des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. Mitwirkende waren Silvia Maul, seit 2012 Geschäftsführerin des forum independent, einer Sach- und Fachbuch-Vertriebskooperation, Swantje Meininghaus, Geschäftsführerin der Nordbuch Marketing GmbH, sowie Stephanie Lange, Geschäftsführerin Filialmanagement bei Hugendubel und Anke Hardt, Kundenmanagerin bei der Verlagsgruppe Random House. Dass einem da erst einmal die Kinnlade herunter klappt, wenn man diese Tausendsassa an einem Tisch versammelt sieht, kann sich wohl jeder vorstellen.

Zunächst erfahren die Zuhörer(innen) etwas über die einzelnen Stationen der Laufbahnen der vier Vortragenden. Stephanie Lange ist gelernte Buchhändlerin und Buchhandelsfachwirtin und arbeitete beim Heyne Verlag als Vertriebsleiterin. Danach bekam sie ihre beiden Kinder- und der Job als Vertriebsleiterin war passé. Da der Arbeitgeber ihr keinen sicheren Job nach Ende ihres Mutterschutzes zusagte, suchte sich Lange kurzerhand einen kleinen Verlag mit einer Chefin in der Geschäftsführung, denn sie findet, mit dem Thema Schwangerschaft müsse man offen umgehen. Was folgte, war eine Art Deal: Sie baute dort den Vertrieb mit auf und konnte nach der Geburt ihrer Kinder wieder im Unternehmen einsteigen. Noch vor 20 Jahren, erzählt sie, sei es für Frauen in Führungspositionen Pflicht gewesen zu verleugnen, dass sie Kinder haben. Nicht so für Lange: Einen wichtigen Vortrag von Hugendubel sagte sie ab, weil eines ihrer Kinder krank zu Hause lag, obwohl ihr Kollege meinte, „denk dir lieber was anderes aus.“ Von Nina Hugendubel erhielt sie hingegen Zuspruch auf ihre Mail, sie gehöre nach Hause zu ihrem Kind statt auf den Vortrag – sie sprang sogar für Lange ein. „In kleinen Schritten mutig sein“, das ist ihre Botschaft.

 

Von Mentoren, Vorbildern und Planung des Werdeganges

Den Antrieb für ihre Karriere erhielt Stephanie Lange von ihrem Vater. Als eine von insgesamt vier Schwestern will sie ihm beweisen, dass Mädchen auch Erfolg haben und sich durchsetzen können. Auch für Anke Hardt von Random House spielten Vorbilder eine Rolle. Jedoch sei der Grundstein zunächst immer eine optimistische Grundhaltung und der Glaube an sich selbst. Wichtig ist für sie, „nicht über Leichen zu gehen“ und für sich selbst den Beruf zu finden, in dem man sich ausleben kann. Ihre Mentoren waren ihre Chefinnen der vergangenen Jahre, denn nach ihrem Studium der Germanistik und BWL war sie zunächst als Assistentin des Vertriebsleiters tätig, später im Lektorat von Dumont und kam durch die Übernahme des Hörbuchverlages zu Random House. Ihre Vorgesetzten erkannten ihre Stärken und Schwächen und gaben ihr Vorschub, sich zu beweisen – so konnte sie für sich selbst wertvolle Erfahrungen mitnehmen. Natürlich kam während des Gesprächs auch die Frage nach dem Erfolg auf. Für Hardt sei Authentizität entscheidend. Wichtig sei außerdem, sich der  eigenen Bedürfnisse klar zu werden und diese auch zu kommunizieren, ohne dabei zu dominant zu sein. Natürlich darf auch eine gewisse Portion Leidenschaft für den Beruf nicht fehlen.

 

Auch Fehlschläge führen zum Ziel

„Scheitern ist ein Hinweis für einen neuen Weg“, sagt Silvia Maul. Die 53-Jährige ist gelernte Buchhändlerin und ein für mich beeindruckendes Beispiel dafür, dass man sich immer wieder einen neuen Weg suchen kann, sollte das ursprüngliche Ziel nicht erreicht werden. Sie selbst wollte nach ihrer Ausbildung nicht einfach nur Buchhändlerin sein, sondern arbeitete halbtags und begann parallel ein geisteswissenschaftliches Studium. Immer wieder stand sie in ihrem Berufsleben vor vermeidlichen beruflichen Endstationen, suchte sich aber immer wieder Alternativen und scheute sich nicht, „Dinge zu tun, die man vorher nicht auf dem Plan hatte“. Das Stichwort hier heißt, sich Alternativen zu suchen und aktiv den eigenen Weg zu gehen anstatt zu warten, dass jemand für die eigene Karriere die richtige Tür öffnet. Für ihre jetzige Position wurde sie übrigens von ihrem damaligen Vorgesetzten und Geschäftsführer Bertram Salzmann vorgeschlagen – Männer können also durchaus auch Karrieren von Frauen befördern, denke ich mir im Stillen.

 

Selbstmarketing und Erfolgsattribute

Kolb stellt die Frage, wie viel Selbstmarketing denn erlaubt sei. Für Swantje Meininghaus klar: „ganz viel.“ Sie betont, wie wichtig ein Netzwerk sei, in dem sich Frauen gegenseitig unterstützen und ganz bei sich selbst seien, so wie Anke Hardt sich auch für Authentizität aussprach. Sie selbst baute als gelernte Sortimentsbuchhändlerin für den Heyne Verlag ein dezentrales Vertriebskonzept auf und ist seit 2014 Geschäftsführerin der Nordbuch Marketing GmbH. Ein wichtiges Learning für sie war, dass man Niederlagen nicht persönlich nehmen  und stattdessen die Botschaft und Alternativen dahinter erkennen und nutzen solle. Meininghaus baute sogar eine betreute Grundschule in jenem 500-Seelen-Dorf auf, in dem sie heute wohnt und es liebevoll „Pampa“ nennt. Ihre Schwangerschaft nutze sie, um sich selbstständig zu machen und anderen Berufstätigen zu ermöglichen, Kinder und Beruf unter einen Hut zu bringen. So zeigt sie eindrucksvoll, dass eine Schwangerschaft keinesfalls ein Karriereende bedeuten muss.

 

Was also nehme ich aus diesem anregenden Gespräch für mich und meine weitere Laufbahn mit? Selbstbewusst sein, eine gute Portion Egoismus, Netzwerken, auf die eigenen Bedürfnisse hören, diese auch kommunizieren und akzeptieren und dass Umwege auch zum Ziel führen können. Klingt doch gar nicht so schwer.

Nadine Weichert