Warum gibt es in der Buchbranche weniger Frauen als Männer in Führung? Fehlt es an geeigneten Kandidatinnen oder attraktiven Stellenangeboten? Braucht es gar einen Strukturwandel der Branche? Diesen und anderen Fragen stellten sich fünf Frauen auf der Frankfurter Buchmesse, die die Karriereleiter bereits erklommen haben.

Der Young Professional Day des mediacampus Frankfurt am Samstag der Frankfurter Buchmesse 2017 befasste sich mit den Fragen rundum das große Los der Medienbranche: Karriere, aber wie? Von Start-up-Gründer*innen über Influencer*innen bis hin zu Manager*innen waren viele Profis der Branche vertreten und standen für Diskussionen sowie direkten Austausch bereit. Den ersten Programmpunkt des Young Professional Days bildete eine Diskussionsrunde um die Frage nach Frauen in Führung in der Buchbranche.

 

Moderatorin Judith Hoffmann (mediacampus Frankfurt) begrüßte ihre Gäste Dr. Kirsten Steffen, Geschäftsführerin Bommersheim Consulting, Silke Tabbert, Geschäftsführerin Schöffling & Co, Dr. Nadja Kneissler, Verlagsleitung Buch, Delius Klasing Verlag, und Stephanie Lange, Vertriebsberaterin und Coach. Schnell wurde deutlich, dass es den Expertinnen auf der Bühne jedoch nicht darum ging, dröge Sachverhalte zu diskutieren, sondern ganz aktiv an das überwiegend weibliche Publikum zu appellieren. Keine von ihnen bejahte Hoffmanns Frage, ob sie ihre jeweilige Karriere in der Buchbranche in dieser Form angestrebt hätten, im Gegenteil: Dr. Kirsten Steffen sah ihre Zukunft stets als Buchhändlerin in ihrem Heimatdorf und Stephanie Lange begann die Ausbildung zur Buchhändlerin nur, weil sie eines Nachmittags in einer Eisdiele sitzend zufällig einen Buchhändler kennenlernte, der ihr einen Ausbildungsplatz anbot. Silke Tabbert jobbte neben dem Studium in einem Buchhandel und machte sich laut ihrer Aussage mit dieser Qualifikation erst attraktiv für die Verlagsbranche. „Das war meine Einstiegskarte“, sagte die Geschäftsführerin, die damals ein Volontariat bei Suhrkamp begann.

 

 

Keine Angst vor Fehlern

 

Schnell wurde die Frage in den Raum gestellt, woran es also liegt, dass Frauen seltener Führungsposten übernehmen, als Männer. In der Debatte um diese Frage wurde besonders eins von den Expertinnen immer wieder betont: Es gelte, Chancen zu ergreifen. Dr. Nadja Kneissler erklärte die Problematik wie folgt:

„Frauen trauen sich oft gar nicht so richtig, die vielleicht per Glück angekommene Perspektive wahrzunehmen. […] Frauen sagen, ach, vielleicht muss ich noch zwei Jahre Erfahrungen sammeln – macht das nicht“

appellierte Kneissler ans Publikum, „wenn jemand euch einen tollen Job anbietet, dann macht das“. Fehler zu machen sei dabei ganz normal, erklärte Dr. Kirsten Steffen. Es sei wie in der Schule, nicht jedes Projekt wäre eine 1,0 – doch dies sei gar nicht von Nöten. Kneissler ging noch einen Schritt weiter und betonte, „wenn Sie ein gutes Netzwerk haben in einem Unternehmen, dann werden die froh sein, dass sie jemanden haben, der es auch mal wagt, einen Fehler zu machen“. Fehler kenne jeder auch aus dem Privatleben und diese seien nichts, wovor man sich zu fürchten habe.

 

 

Einfach mal machen

 

Pro-aktiv sein, ein Stichwort, das in der Diskussion ums Thema ‚Frauen in Führung‘ immer wieder anklang. Dies beinhalte auch, einzufordern, was für die eigene Karriere von Nöten sei. Stephanie Lange machte deutlich, dass Mut einfach dazu gehöre. „Ich würde unabdingbar nach Leuten suchen, die einen fördern. Ich hatte immer Mentoren, die mir die Zweifel genommen haben. Seien sie klar und sagen Sie, was Sie wollen, suchen Sie sich Verbündete, und setzen sie sich auch mit an den Tisch und fragen sich, was Sie dafür leisten wollen.“ Auch Steffen sagte, dass sich klein zu machen, nicht ans Ziel führe. Wer aktiv einfordere, erreiche deutlich mehr. Dieses ‚mehr‘ wahrzunehmen, war der Appell, der von allen Teilnehmerinnen der Diskussion immer wieder ans Publikum gerichtet wurde.

 

 

Wie oft dürfen wir neu anfangen?

 

Daran angeschlossen, gab es auch einige Wortmeldungen aus dem Messe-Publikum. Eine junge Frau erklärte, sie sei Ende 20 und finge nun ihr drittes Praktikum an – ein Schicksal, das nicht nur sie, sondern viele dieser Generation ereile. „Wie oft dürfen wir neu anfangen?“, fragte sie die Expertinnen. Stephanie Lange entgegnete schnell, dass sie immer wieder neu anfangen würde: „Also ich fange gerade was neu an und ich bin jetzt 50.“ Kirsten Steffen entgegnete:

„Man kann unbedingt immer wieder anfangen, aber bitte nicht das dritte Praktikum, nicht mit Anfang 30. Suchen Sie sich eine Aufgabe, in der Sie effektiv arbeiten können, aber kommen Sie aus der Position der Lernenden im Sinne von ‚Ich halte dich klein‘ heraus. Sie sind größer als Sie denken!“

Nadja Kneissler plädierte darüber hinaus für Offenheit für Umleitungen. „Wenn Sie ins Lektorat wollen, das voll ist, und im Marketing bekommen Sie aber eine Assistenzstelle, dann machen Sie das. Öffnen Sie sich gerne ein bisschen.“

 

 

Kinder und Karriere

 

Auch die Frage nach dem Kinderkriegen blieb nicht unbeantwortet. Stephanie Lange erzählte, dass sich der Kinderwunsch für sie mit ihrem damals aktuellen Job nicht vereinbaren ließ. Dass sie doch spinne, sagte ihr Chef, als sie nach einem Entgegenkommen fragte, woraufhin sie das Unternehmen verließ. Einfach sei das nicht gewesen, doch erzählt Lange:

„Ich habe mir dann gezielt Förderer gesucht. Dann bin ich losmarschiert, hab mich beworben und gesagt: Ich bin eine top Führungskraft, und möchte das auch bleiben, will aber auch dazwischen irgendwann Kinder bekommen.“

Dies sei natürlich auf Verwunderung gestoßen, doch es habe schlussendlich für sie geklappt, erzählte die verheiratete Mutter von drei Kindern.  „Das eine sind die, die einen finden“, sagte Lange, „das andere sind die, die man selbst findet“.

Auch Kirsten Steffen und Nadja Kneissler betonten, dass es immer besser gelinge, Job und Kinder zu vereinbaren, besonders, wenn man einmal in der Führungsetage angelangt sei. „Wenn Sie in Führungspositionen gehen, dann können Sie sich Ihren Job viel besser zurechtschneiden. Je höher Sie in dieser Pyramide sind, desto mehr Freiheit haben Sie“, sagte Kneissler.

Jedoch gebe es nicht nur diese eine Seite der Medaille, betonte Stephanie Lange: „Ich würde gerne auch mal an die Unternehmen appellieren – die Rahmenbedingungen müssen besser werden. […] Es muss sich ja nicht jeder die Kante geben, wie ich mit einem 70-Stunden-Job. […] Wenn die Unternehmen was wollen, müssen sie auch dafür sorgen, dass die Frauen in Führungspositionen kommen.“

 

Gemischte Teams sind die Zukunft

 

Moderatorin Judith Hoffmann ging gen Ende der Diskussionsrunde auf den Generationenwechsel in der Medienbranche ein und fragte ihre Gäste, ob es unter dem Stichwort „Frauen in Führung sichern Innovation und Vielfalt“ ihrer Ansicht nach etwas gebe, dass Frauen in Führungsposten eint. Stephanie Lange bestätigte, dass der Markt vor einer unfassbaren Veränderung stehe und Frauen in solchen Change-Prozessen anders agierten als Männer: „Frauen sind viel pragmatischer in der Führung, es geht nicht so viel ums Ich, sondern ums Uns.“ Nadja Kneissler betonte, dass gemischte Teams der Weg zum Erfolg seien.

„Frauen in Führungsteams verändern die Diskussionen. Damit hat man ein breiteres Spektrum, wenn Entscheidungen getroffen werden. Wenn man Projekte gemeinsam angeht, haben Frauen oft eine andere Sichtweise als Männer und man kommt zu einem guten gemeinsamen Ergebnis.“

 

Auf diesem gemeinsamen Nenner endete die Diskussion zum Thema ‚Frauen in Führung‘ des Young Professional Days und machte vor allem eins deutlich: Die Frauen auf dem Podium haben alle eine ganz eigene Erfolgsgeschichte, einigen sich aber in Präsenz, bühnensicherem Auftreten, Eloquenz und großer Sympathie. Während sich Judith Hoffmann bei ihren Gästen und dem Publikum für den gegenseitigen Austausch bedankte, blieb der immer wieder formulierte Appell der Expertinnen besonders hängen: Wer Karriere machen will, muss bewusst bieten, soll und darf aber auch einfordern. Umwege müssen gegebenenfalls genommen, Chancen jedoch auf jeden Fall ergriffen werden, und die Angst vor Fehlern sollte niemals daran hindern, anzunehmen, was einem geboten wird.

 

 

Leona Sedlaczek