Wie funktioniert die Kommunikation zwischen Verlagen und Buchhandlungen? Was sind aktuelle Trends im Buchhandel und wie können Verlage darauf reagieren? Aber wir möchten auch wissen, wie sich Stuttgarts größte Buchhandlung online präsentiert und welchen Stellenwert das Marketing einnimmt. Zu diesen spannenden Fragen trafen sich die Stuttgarter JVM am 08. März 2017 in der Buchhandlung Wittwer bei Sekt und Brezeln.

Doreen Klotz, Ninja Jardin und Lisa Ziegler erzählten aus ihrem beruflichen Alltag bei der Traditionsbuchhandlung Wittwer. Zunächst erhielten wir einen Einblick in die Einkaufsabteilung. Der Novitäteneinkauf wird bei der 2x jährlich stattfindenden Vertreterbörse im Haupthaus organisiert. Die Zahlen dafür kommen aus den jeweiligen Abteilungen bzw. aus den Filialen und werden dann zentral zusammengefasst und gebündelt. Verlagsvorschauen gehen per Post entweder direkt ans Haupthaus oder an den Zentralen Wareneingang in Bietigheim. Die Filialen erhalten ihre Vorschauen in der Regel direkt von den Verlagen. Jede Abteilung im Haupthaus bearbeitet die für sie relevanten Vorschauen mit Zahlen. Ebenso läuft es in den Filialen. Danach dienen die bearbeiteten Vorschauen auf der Vertreterbörse als Arbeitsgrundlage für den Neuheiteneinkauf. Die Bestellungen werden dann gebündelt bei dem Vertreter aufgegeben. Außerdem wird mit ihm die Remission der nicht verkauften Exemplare abgewickelt. Mit den großen Verlagen finden zudem regelmäßige Konferenzen statt. Hierbei ist der persönliche Kontakt am wichtigsten, gefolgt von Telefon und E-Mail-Kontakt.

Trends im Sortiment können auf unterschiedlichen Wegen auftauchen:

  1. Sie poppen einfach auf, beeinflusst durch politische oder geschichtliche Ereignisse, z. B. Trump in den USA oder die Panama Papers.
  2. Trends, die sich über längeren Zeitraum abzeichnen, da sie sich z. B. bei vielen Verlagen in der Vorschau wiederfinden. Das Thema „Hygge“ – ein dänischer Lebensstil als Wohlfühltrend – ist hier zu nennen.
  3. Durch den Literaturnobelpreis und sonstige Preise erhalten bestimmte Titel viel Aufmerksamkeit und stoßen dann auf eine hohe Nachfrage bei den Lesern.
  4. Beim Todesfall eines Autoren werden sowohl Biografien über den Autor als auch Titel des verstorbenen Autoren verstärkt nachgefragt.

©Sophia Wittwer

Die Vorschauen der Verlage erhält Wittwer digital oder print, dies variiert je nach Verlag. „VLB-TIX“ wird vor allem von großen Verlagshäusern eingesetzt. Die Vorschauen des Piper-Verlages wurden gelobt, da sie besonders auf die Bedürfnisse von Wittwer zugeschnitten werden. Random House ist dabei ebenfalls federführend, doch noch ist das Konzept nicht ganz ausgereift. Häufig offenbaren sich die unterschiedlichen Blickwinkel der Buchhändler und Verlage auf die Verlagsvorschauen. Der Verlag stellt oft den Klappentext nach oben, hingegen hat der Buchhändler lieber die bibliografischen Angaben am Anfang. Je nach Buchhandlung unterscheiden sich aber auch die Interessen. Aktuell wird auf digitale Verlagsvorschauen umgestellt, ein Sterben der Printvorschau wird jedoch nicht prophezeit.

Die Marketingabteilung bei Wittwer ist zuständig für die Dekoration der Büchertische und Schaufenster. Veranstaltungen werden hier konzipiert. Aktuelle Themen aus der Buchhandlung werden auf der Website wieder aufgegriffen. Außerdem werden Gewinnspiele durchgeführt und Newsletter verschickt. Die Lesungen laufen bei Wittwer sehr gut – pro Jahr finden ca. 40 Lesungen und ein bis zwei weitere Veranstaltungen statt. Die Buchhandlung bietet dafür drei Säle mit je 20, 60 und 90 Sitzplätzen an. Für die ganz junge Zielgruppe gibt es den Wiki-Club, der zurzeit 400 Mitglieder zählt. Über den monatlichen Newsletter werden Clubtreffen und Veranstaltungen angekündigt, die über Stuttgart verteilt in Museen oder auch mal im Zoo Wilhelma stattfinden. Zum 150-jährigen Bestehen der Buchhandlung Wittwer finden besondere Marketingaktionen statt. Auch Onlinekanäle wie Instagram und Snapchat oder Kooperationen mit Bloggern setzt Wittwer ein, um gerade die Zielgruppe der jungen Erwachsenen zu erreichen.

Ganz zentral ist die Zusammenarbeit der Buchhändler mit ihren Kunden. Es gibt verschiedene Kundentypen, die es gilt richtig einzuschätzen, wenn sie die Buchhandlung betreten. Kunden, die 1. weglaufen, 2. am Regal stehen, 3. nach einem bestimmten Buch fragen, bestenfalls mit ISBN-Nummer, 4. ein Buch suchen, dass sie mal gesehen haben. Ein Buchhändler ist daher mit einer – oft detektivischen – Recherche nach dem gewünschten Buch beschäftigt. Viele Kunden vertrauen auf Buchempfehlungen in Form von Buchpreisen oder von Buchbesprechungen im Spiegel oder auch im DB-Magazin. Ebenso wichtig sind die persönlichen Buchempfehlungen der Buchhändler, die auch auf Karten in den Büchern stecken. Buchhändler sollten durch ein Querlesen der aktuellen Bücher stets gut informiert sein, um ihre Kunden gezielt beraten zu können.

von Jana Rahders