Jedes Jahr treffen sich im Rahmen der Buchtage um die hundert Auszubildende aus Buchhandel und Verlag, Volontäre und Studierende, um als Nachwuchsparlament über Themen zu diskutieren, die sie bewegen. Ziel ist es, gemeinsam Forderungen und Empfehlungen zu formulieren, mit denen sich der Nachwuchs in der Hauptversammlung des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels an die Branchenmitglieder wendet. In diesem Jahr tagte das Nachwuchsparlament unter dem Motto „Werte – Wandel – Verantwortung“ vom 12. bis zum 14. Juni in Berlin.

Der erste Tag: Podiumsdiskussion, Workshops und Exkursionen

Umrahmt wird die eigentliche Parlamentssitzung von einem vielfältigen Programm. Der erste Tag stand somit ganz im Zeichen von Podiumsdiskussion, Workshops und Exkursionen. Nach der Begrüßung durch Alexander Skipis, richtete sich Frank Richter, Geschäftsführer Stiftung Frauenkirche Dresden, mit einer Key Note an die Teilnehmer*innen. Er forderte dazu auf, Demokratie und Pluralismus aktiv zu leben. Insbesondere die Entwicklung von sogenannten „Echokammern“ in den Sozialen Medien halte er für bedenklich, da dort keine Meinungsvielfalt gelebt werde, sondern nur eine Bestätigung der eigenen Ansichten erfolge. Es sei wichtig, Perspektivwechsel vorzunehmen und Konflikte auszuhalten, so anstrengend dies mitunter sei.

Anschließend an Richters Worte folgte eine Podiumsdiskussion, bei der sich der Key Note Speaker mit Alexander Skipis und Horand Knaup, Redakteur beim Spiegel, weiter dem Thema „Demokratie und Meinungsfreiheit“ widmete. Auch hier wurde zur aktiven Beteiligung aufgerufen. Skipis sprach mit Hinblick auf Trump von der „Stunde der Zivilgesellschaft“ und erinnerte daran, dass viel möglich sei, wenn wir das Potenzial, das in uns steckt, nur ausnützten. Als Beispiel für erfolgreiches zivilgesellschaftliches Engagement nannte er die Petition „Für das Wort und die Freiheit #FreeWordsTurkey“ und die dazugehörige Crowdfunding-Aktion des Börsenvereins. Richter ergänzte, dass die Bürger nicht fahrlässig mit ihrer Informationsfreiheit umgehen sollten. Knaup schloss sich an: Ein kritischer Medienkonsum sei unerlässlich. Dafür benötige es jedoch einer starken Medienkompetenz. Er plädierte daher dafür, Medienpädagogik noch stärker in der Schulbildung zu verankern. Aus dem Publikum kam in Bezug auf das gewünschte (politische) Engagement ein wichtiger Hinweis: Wenn sich der Großteil unseres Lebens auf der Arbeit abspiele, in den meisten Unternehmen aber hierarchische Strukturen vorherrschen, müsste sich daran nicht dringend etwas ändern? Skipis antwortete mit einem klaren „Ja“ und führte an, dass Informationsflüsse unbedingt gefördert werden müssen. Richter sprach von der Wichtigkeit, Kontrollverluste zuzulassen und eine konstruktive Fehlerkultur im Unternehmen zu leben.

Podiumsdiskussion beim Nachwuchsparlament

©Kim-Marie Philipp

Nach der Podiumsdiskussion beschäftigten sich die Teilnehmer*innen des Nachwuchsparlaments in Workshops mit aktuellen Fragestellungen der Branche. So wurden Strategien zur Frequenzsteigerung im Buchhandel erarbeitet, z.B. eine stärkere Kooperation mit Kultur- und Medienpartnern, und Überlegungen angestellt, wie die Meinungsfreiheit digital, d.h. mithilfe eines E-Book-Verlags, ermöglicht werden kann. Hierbei war eine der Ideen, einen „sozialen“ Verlag in Form einer Schreibwerkstatt für Jugendliche zu gründen. Auch das Thema „digitales Lesen und Lernen“ war Teil des Workshopprogramms. Zudem wurden Geschäftsideen für potenzielle Publishing Startups entwickelt. Eine Möglichkeit, den digitalen Wandel für sich zu nutzen, wäre zum Beispiel eine App zur Orientierung auf der Frankfurter Buchmesse, die ein wenig wie Tinder funktioniert: Der Besucher bekommt Veranstaltungen, die seinen Interessen entsprechen, vorgestellt, und „swiped“ sie nach rechts oder links, je nachdem, ob sie ihm gefallen, oder nicht. Dies erleichtert die Orientierung im Lesungsprogramm. Nach den Workshops ging es in Kleingruppen zu jeweils drei Verlagen und Buchhandlungen, darunter Hanser Berlin, die BuchBox! und der Ch. Links Verlag. Organisiert und durchgeführt wurden die Exkursionen vom Berliner NachwuchsNetzwerk NaNe. Seinen Ausklang fand der erste Tag beim gemeinsamen Get-together am Abend.

Wahl der neuen Nachwuchssprecher*innen

Am Dienstagmorgen fanden alle Nachwuchsparlamentarier schließlich zur Sitzung zusammen. Den ersten Programmpunkt stellte die Wahl der neuen Nachwuchssprecher*innen dar. Ihre Aufgabe ist es, die Interessen der jungen Fachkräfte in Branche und Öffentlichkeit zu vertreten und die Branchenpolitik im Börsenverein des Deutschen Buchhandels im Ausschuss für Berufsbildung mitzugestalten. Mit Cleo Ciba, Volontärin beim Lingen Verlag (und JVM-Mitglied), und Philipp Nawroth, Auszubildender der Buchhandlung Osiander in Reutlingen, wurde ein begrüßenswert diverses Team gewählt. Nicht nur beide Geschlechter sind vertreten, sondern auch die unterschiedlichen Ausbildungsformen in der Branche. Zudem repräsentieren die beiden die Perspektive des Nachwuchses sowohl im Handels als auch im Verlag.

Das Thema Ausbildungsstandards stand im Mittelpunkt

Bei der Diskussion um mögliche Empfehlungen an die Hauptversammlung stand vor allem das Thema Ausbildungsstandards im Mittelpunkt. Die Buchhandelsauszubildenden bemängelten, dass die Qualität je nach Berufsschule und Betrieb stark variiert. Die Ausbildung dürfe, so wurde angeregt, nicht nur Chefsache sein. Stattdessen sollten alle Mitarbeiter*innen in der Buchhandlung über die Inhalte und entsprechende Richtlinien informiert werden, um so zu einer erfolgreichen Ausbildung des Nachwuchses beizutragen.

Workshop beim Nachwuchsparlament

©Kim-Marie Philipp

Mit Hinblick auf die Fördermöglichkeiten in der Ausbildung, seien es finanzielle Zuschüsse oder Fortbildungen für Berufsschullehrer, müsse zudem mehr Transparenz herrschen. Zu wenige der bereits existierenden Maßnahmen, wie die jährlichen Fachklassenlehrerseminare des Börsenvereins, seien bekannt. Es herrschte jedoch Konsens, dass der Nachwuchs diesbezüglich auch selbst in der Verantwortung steht. Über eine bessere Vernetzung soll der Informationsfluss gefördert werden. Dem Thema Ausbildungsstandards wird sich zudem in Zukunft eine neu gegründete AG widmen. Nicht nur die klassische Ausbildung in Buchhandlung und Verlag wird hierbei eine Rolle spielen, sondern auch das Volontariat, für das ebenfalls eine Standardisierung der Ausbildungsinhalte gewünscht wird. Da die Qualität der Buchhandelsausbildung auch durch den Wegfall ganzer Klassen leidet, wird sich eine weitere AG mit der Nachwuchsgewinnung speziell im Buchhandel befassen. Ziel ist es, Konzepte zu erarbeiten, wie Auszubildende als „Botschafter“ Werbung für die Branche machen können, sei es an Schulen oder auf Ausbildungsmessen. Darüber hinaus will sich das Nachwuchsparlament mit einer AG stärker für die Meinungsfreiheit einsetzen und gemeinsam mit dem Hauptamt des Börsenvereins die Rolle der Branche im Kontext von Demokratie und Pluralismus aktiv kommunizieren. Damit schließt sich der Kreis zum diesjährigen Motto „Werte – Wandel – Verantwortung“.

Hoher Enthusiasmus und Tatendrang beim Nachwuchs

Die konstruktive Diskussion und die Gründung zahlreicher neuer Arbeitsgemeinschaften zeugen vom hohen Enthusiasmus und Tatendrang des Nachwuchses. Es bleibt zu hoffen, dass sich beides über das folgende Jahr aufrechterhalten lässt. Die Jungen Verlagsmenschen könnten sich an dieser Stelle als Partner einbringen. Nicht nur die Nachwuchssprecherin, sondern viele weitere Nachwuchsparlamentarier*innen sind JVM-Mitglieder. Es besteht also bereits eine enge Verbindung beider Organisationen. Zudem beschäftigen sich die JVM in Form der AG Nachwuchsrechte ebenfalls intensiv mit der Ausbildungssituation von Volontären. Hier könnten sich folglich Synergieeffekte ergeben, von denen letztlich alle Parteien – Auszubildende im Buchhandel, im Verlag und Volontäre – im Hinblick auf ihre Ausbildung profitieren.

 

Kim-Marie Philipp