Pia Stendera zur Veranstaltung „Die 68er – was war was blieb und was kommt von den Frauen“
50 Jahre sind nun schon vergangen, seit sich die Neue Linke durch verschiedene soziale Bewegungen herauszuformen begann. Bald 50 Jahre ist es her, dass auch in Deutschland die Neue Frauenbewegung um gesellschaftliche Teilhabe kämpfte – Ziele formulierte wie die Abschaffung des Paragraphen 218 im Strafgesetzbuch. 50 Jahre später ist die Diskussion um das Gesetz zum Schwangerschaftsabbruch dennoch aktueller denn je. Daher muss die Frage gestattet sein, was wir nun eigentlich von den Frauen der 68er-Generation mitnehmen konnten und welche Fragen und Konflikte noch offenstehen.
Dieser Thematik widmet sich der Bücherfrauen e.V. am ersten Tag der Leipziger Buchmesse. Das Podium teilen sich zwei Zeitzeuginnen, die Übersetzerin und Stiftungsgründerin Regine Elsässer und die tschechoslowakisch-stämmige Publizistin, Soziologin und Autorin Alena Wagnerová, mit der in der DDR der 80er Jahre geborenen Übersetzerin Maria Hummitzsch.
Das Ringen um demokratische Beteiligung
Die Reaktionen auf die Fragen von Dr. Eva Douma nach den Assoziationen mit dem Jahr 1968 lassen zwei Erkenntnisse zu: Zum einen, hat die Bewegung in Deutschland erst einige Jahre später wirklich Wellen bei den Frauen geschlagen. Außerdem haben jede Zeitzeugin und jeder Zeitzeuge in erster Linie ganz persönliche Erinnerungen. So sieht Wagnerová beispielsweise sowjetische Panzer vor ihrem geistigen Auge, die den Prager Frühling zerschlagen und somit die Hoffnung auf eine demokratische tschechoslowakische Gesellschaft. Währenddessen vollzogen sich in der westlichen Welt gegensätzliche Tendenzen. Elsässer erinnert sich an die ersten Proteste in ihrer damaligen Studienstadt Köln. Es ging nicht um die große Freiheit, sondern gegen die Fahrpreiserhöhung für den öffentlichen Nahverkehr – doch die Tatsache des zivilen Ungehorsams war die eigentliche Sensation.
218? – Wir dachten, wir haben das zu Ende gebracht
Die Frauenbewegung entstand laut Elsässer erst „fünf, sechs Jahre später“. Zahlreiche Frauenzentren und -buchläden wurden gegründet, so auch ihre Buchhandlung, die noch heute bestehende Xanthippe in Mannheim. Im Osten des Landes blieb diese imposante Welle aus, doch Hummitzsch betont, dass schon damals ein anderes Selbstverständnis für berufstätige und in ihrer Biographie auch alleinerziehende Mütter herrschte, dass man sich gern aneignete. Ganz anders im Westen des geteilten Landes: Hier wollte man alles sein, aber keinesfalls wie die eigenen Mütter, lacht Elsässer, „nur Hausfrauen“. Doch sicher, die Frage nach dem Erbe der 68er sei berechtigt. Der Paragraph 218
ist ein exemplarisches Beispiel: „Wir dachten, wir haben das erfolgreich zu Ende gebracht – und nun kommt es wieder auf uns zu“, so Elsässer. Alena Wagnerová bemerkt daraufhin schmunzelnd, dass nichts so schnell verloren sei wie die Rechte der Frau. Und schließlich war die bundesdeutsche Gesellschaft seinerzeit eine Männergesellschaft und somit ein radikaler Gegensatz zu dem, was sie aus ihrem Herkunftsland kannte, in dem Männer und Frauen solidarisch miteinander umgingen. Plötzlich war sie nur noch „die Frau des Buchhändlers“, anstatt eine eigenständige Person. Diese Statusdefinition über den Ehemann sei nun glücklicherweise Geschichte, und somit eine der Errungenschaften der 68er. Wagnerová sieht es allerdings nicht unkritisch, dass viele Frauen heute nur die Karriere, und somit die Angleichung des eigenen Lebenslaufs an den des Mannes anstreben. Doch gerade dieses Selbstverständnis zu arbeiten sei ein zentraler Gewinn, setzt Elsässer entgegen. – Es wird klar, dass Feminismus damals wie heute kein homogenes Feld ist. Aber wo ist der Fortschritt, was ist der Maßstab für den Erfolg?
Gleichberechtigung statt Gleichheit
Ob die Karriere nun im Vordergrund stehen soll oder nicht, dies liegt zunehmend in den Händen der Frau. Die Mittdreißigerin, alleinerziehende Mutter und erfolgreiche Übersetzerin Hummitzsch sieht eine stärkere Chancengleichheit in ihrer Generation. Doch häufig fehle es noch an dem nötigen Selbstverständnis zum Durchbrechen der vorhandenen, noch immer männlich geprägten, Machtstrukturen. Sie sieht in ihrer Beratung von Kolleginnen und Kollegen zum Beispiel immer wieder eine Fehleinschätzung des Wertes der eigenen Arbeit: Während Männer zumeist hart um ihre Honorare verhandeln, halten sich Frauen eher zurück.
Im Laufe der Diskussion kristallisiert sich heraus: Es gibt keinesfalls einen Abschluss des Diskurses, aber eine Verschiebung. Es soll nicht mehr „Frauen gegen Männer“ heißen. Im Gegenteil: Es braucht die Männer, um gemeinsam nach einer guten Gesellschaft für alle zu streben. Eine neue Welle, die sowohl ein Verdienst von als auch ein Fortschritt zu früheren Frauenbewegungen ist.