Für einige Autoren ist die Leipziger Autorenrunde, von Leander Wattig initiiert, einer Vielzahl von Sponsoren gefördert und von der Leipziger Buchmesse veranstaltet ein Event, das sich nicht denken lässt, das heiß ersehnte Klassentreffen. Hier vernetzen sich Autoren mit Kollegen, hier entstehen Kooperationen und hier erblicken neue Ideen das Licht der Welt. Auch dieses Jahr durfte ich – gemeinsam mit meiner Kollegin Eva Fahmüller – eine der Tischrunden gestalten.

 

Das Format ist gleichermaßen inspirierend wie überzeugend: Es gibt drei Runden mit einer großen Auswahl an Tischgesprächen, die jeweils 45 Minuten dauern und mehr einem Gespräch oder einem Mini-Workshop gleichen als einem Vortrag. Die Interaktion und der Netzwerkcharakter stehen dabei im Vordergrund. Alle Jahre wieder kann  ich, zu meinem großen Bedauern, nicht all die Experten erleben, die ich gerne live sehen möchte.

Erste Tischrunde mit Poppy J. Anderson, Autorin von Liebesromanen und über einer Millionen verkauften E-Books zum Thema Selfpublishing: Warum Selbstverleger Malochermentalität besitzen sollten

Ich komme – noch leicht angeschlagen von der Tropenparty – um 10.00 Uhr im Kongresscentrum an, werde mit Kaffee belohnt und setze mich an den Tisch, den Poppy J. Anderson, Autorin von Liebesromanen und über einer Millionen verkauften E-Books leitet. Sie ist mit Selfpublishing: Warum Selbstverleger Malochermentalität besitzen sollten angekündigt.  Poppy lacht viel und erfrischend. Von schreibwütigen Nächten plaudert sie wenig später. Meine Sorgen verflüchtigen sich, ihre Laune ist ansteckend. Auch wenn ich gestern nicht geschrieben habe, die Nacht immerhin habe ich mir bereits um die Ohren geschlagen. Gedankensprung. Poppy ist schon bei ihrem Briefträger, der sie in ihren Absencezuständen kennt und seitdem ein neues Bild vom Schriftsteller hat. Autorinnen, insbesondere solche von Liebesromanen, haben, so denkt er jetzt, oft sträflich vernachlässigte Hunde, die dringend ausgeführt werden müssen und ihn, den Briefträger, anders als ihre Artgenossen nicht anknurren, sondern ihn freudig, als Retter in der Not begrüßen.  Immerhin ist es er, der ihr Frauchen aus ihrem Exzess reißt, wenigstens für einige wertvolle Minuten. Autorinnen trage ferner meist verbeulte und fleckige Jogginghosen, waschen tagelange nicht ihre Haare und ihr abwesender Blick zeugt von Ihrer Erkrankung. Der Briefträger hat sich belesen. Mitternachtskrankheit?, raunt er Poppy verständnisvoll zu und sie nickt. Später erinnert sie sich nicht mehr so genau daran. Ein erhöhtes Bild? Vielleicht. Ein Eindringliches bleibt es doch. Selfpublisher, sagt Poppy, müssen denken wie Verlage, zumindest wenn sie gerade nicht schreiben. Sie sind schließlich nicht nur Autoren, wollen sie erfolgreich sein, sondern auch ihr eigener Marketingbeauftragter, Vertriebspartner und Organisator  für Lektorat, Korrektorat, Coverdesign und Satz. Auch wenn diese Aussage den ein oder anderen Schriftsteller beunruhigen mag, was all dem vorausgeht ist und bleibt eine Geschichte, die, im besten Fall, nicht nur gut erzählt, sondern auch originär ist, die ein Alleinstellungsmerkmal besitzt.

 

© Tanja Steinlechner

© Tanja Steinlechner

Zweite Tischrunde mit Annika Bühnemann, Autorin & Buchcoach, zum Thema Warum YouTube unterschätzt wird und wie du das Netzwerk als Autor ganz einfach nutzen kannst.

Zur zweiten Tischrunde bin ich wach. Poppy ist schuld, ihr Strahlen und ihre Begeisterung haben Funken geschlagen. Nicht nur mir scheint es so zu ergehen. Annika Bühnemann, Autorin & Buchcoach lausche ich zum Thema: Warum YouTube unterschätzt wird und wie du das Netzwerk als Autor ganz einfach nutzen kannst. Sie prognostiziert eine Entwicklung von youtube, die Autoren, die heute schon ihren Kanal aufbauen, in ein paar Jahren zum Erfolg gereichen wird. Youtube, sagt sie, sei das, was Facebook 2011 für Autoren gewesen sei und Künstlerinnen wie Poppy den Erfolgsweg geebnet habe. Noch gäbe es die Chance ganz weit vorne dabei zu sein.

Allen, die youtube für professionelle Zwecke nutzen wollen, rät sie zu zwei von drei möglichen Strategien:

  1. Die Personality-Strategie. Sie stellt die Bloggerpersönlichkeit in den Mittelpunkt. Der Youtuber berichtet dazu aus dem eigenen Alltag, lässt den Zuschauer teilhaben, lädt ihn quasi ins Wohnzimmer ein.
  2. Die Booktuber-Strategie. Sie greift Themen auf, die die Zielgruppe inhaltlich interessieren, zum Beispiel den Leser Buchbesprechungen.
  3. Die Umwegstrategie. Letztere bedeutet der Youtuber schließt sich den meistabonnierten Kanälen an, eröffnet also auch einen Mode- & Beauty-, einen Musik- oder einen Comedykanal. Sein erklärtes Ziel ist es jedoch, auf diesem Umweg Zuschauer für sein eigentliches Thema, zum Beispiel sein Buch, zu gewinnen. Und das geht so: Er erwähnt nebenbei, dass er auch Autor ist und ein Buch geschrieben hat. Diese Strategie jedoch überzeugt Annika nicht hinreichend.

Annika Bühnemann selbst betreibt einen Youtubekanal und gemahnt, dass mindestens zehn Videos online sein müssen bis überhaupt ein minimaler Bekanntheitsgrad erreicht werden könne. Auch hier ist also Malochermentalität gefragt; eine, die Freude bereiten kann, will sich der Autor gerne der Öffentlichkeit präsentieren und genießt er das Rampenlicht.

 

Mittagspause. Sie bietet Raum zum Austausch unter bisher unbekannten Kollegen und guten alten Bekannten. Meine Schreibschüler aus der Autorenausbildung sind angereist. Ich freue mich riesig sie für die Autorenrunde begeistert haben zu können. Sie werden wieder neue Autoren aufmerksam machen und das Netzwerk kann gedeihen.

Dritte Tischrunde mit Eva Fahmüller, Inhaberin der Master-School-Drehbuch, und Tanja Steinlechner, Autorin & Leiterin der Autorenschule Schreibhain zum Thema: Das Dilemma im Herzen der Figuren finden – Stoffentwicklung mit Methode

Schließlich sind Eva und ich an der Reihe. Wir freuen uns sehr, als wir an unserem Tisch kaum noch Platz finden. Allan Watt und die Entwicklung des Dilemmas aus dem Herzen der Figur heraus, stößt auf Autoreninteresse. Das freut mich insbesondere auch deshalb, weil seine Methode auch mir neue Möglichkeiten eröffnet hat, meine Geschichten auf andere Art zu denken und meine Figuren in ihrer Tiefe zu erforschen. Watt plädiert dafür ein Band zu schaffen zwischen Autor und Protagonist, indem der Schreibende seine größte Angst auf seine Figur überträgt. So entsteht eine Verbindung zwischen Schöpfer und Schöpfung, die nicht mehr abreißt, weil sich aus ihr heraus – quasi organisch – der Plot speist. Zum Dilemma, dem Figurenensemble und der Welt des Buches führt Watt mit Satzanfängen, die der Autor in der Entwicklungsphase seines Romans im beinahe automatischen Schreiben ergänzt. So findet der Schriftsteller zu seinem Thema und der einzigartigen Geschichte, die nur er erzählen kann.

 

Perspektive #lar17Autorenrunde

Nach unserer Tischrunde breche ich zu epubli auf, um dort mit hauseigenen Autoren ins Gespräch über Schreibblockaden und Prokrastination zu kommen. Als ich zur Autorenrunde zurückkehre, klingt sie bei Bier und Wein gerade aus. Nächstes Jahr ist wieder Klassentreffen. Eines, auf das ich mich schon jetzt freue.

Tanja Steinlechner