Mittwoch der 10. Oktober 2018: Die Frankfurter Buchmesse öffnet ihre Pforten und gemeinsam mit den zahlreichen Besuchern ströme ich wie jedes Jahr auf das Messegelände. In den Hallen die beeindruckenden Messe-Stände, auf der Gästeliste hochkarätige Autoren und andere berühmte Gesichter. Sieht so eine Branche in der Krise aus? Und wenn ja, welcher Weg führt aus dieser hinaus?
Die Käuferdichte sinkt: Zwar blieb der Umsatz in den letzten fünfzehn Jahren weitestgehend stabil, doch die Verkaufszahlen gingen zurück. Das wird vor allem in der Käufergruppe zwischen 20 und 49 Jahren augenscheinlich, deren Internetkonsum zeitgleich stetig angestiegen ist. Das Buch steht mehr denn je im Wettbewerb mit anderen Medien wie Netflix, WhatsApp und Co.[1]
Wie sich die Branche erfolgreich in diesem Wettbewerb positionieren kann, ist Thema des Panels: „Leuchtfeuer für Leser: Wie es der Branche gelingen kann, verlorene Leser zurückzuholen“, das Michael Roesler-Graichen (MVB GmbH, Redakteur Börsenblatt) am Mittwochnachmittag mit Blick auf die praktische Umsetzung der Studienergebnisse der Studie „Buchkäufer – quo vadis?“ des Börsenvereins moderiert. Im Gespräch mit Juliane Reichwein (Holtzbrinck ePublishing GmbH, Digital Business Development) und Natalja Schmidt (Verlagsgruppe Droemer Knaur GmbH & Co. KG, Programmleiterin Knaur Belletristik) möchte Roesler-Graichen zwei innovative Ansätze beleuchten, welche die Leserschaft zurückgewinnen sollen.
Zusammen liest’s sich besser
Die Plattform www.zusammen-lesen.de ist seit August 2018 online und möchte die Gruppe der Vielleser ansprechen, die sich in Literaturkreisen organisieren. Die Holtzbrinck ePublishing GmbH schafft somit eine Anlaufstelle für Literaturkreise, Buchhändler und interessierte Leser, die das Lesen als soziale Interaktion erleben möchten. Buchempfehlungen, Tipps zur Gestaltung des eigenen Lesekreises und die praktische Postleitzahl-Suche für bereits bestehende Literaturkreise sind nur einige Features, die auf digitalem Weg in den Handel führen. Denn Reichwein betont die Wichtigkeit des stationären Handels als Veranstaltungsort und Anlaufpunkt für die Lesekreise. Daher können sich auch Buchhandlungen direkt auf der Plattform präsentieren. Zudem seien bereits weitere Verlage an der Plattform interessiert, welche Leser und Verlage wieder stärker miteinander vernetzt. In Zukunft soll daher der Service von www.zusammen-lesen.de Zielgruppen orientiert ausgebaut werden.
Ein Buch geht in Serie
Ein weiteres Projekt, das derzeit in aller Munde ist, stellt Natalja Schmidt vor: die Buch-Serie „Doors“ von Markus Heitz. Für diese wurde zunächst ein Pilot von 80 Seiten produziert, der großflächig und kostenlos in Deutschland auf den Markt gebracht wurde. Neben der digitalen Version gab es auch 10.000 Print-Exemplare, die dafür sorgen sollten, dass der Handel ganz massiv mit ins Boot geholt wird. Am Ende der Pilotfolge findet sich der Lesende vor drei Türen wieder. Was sich hinter diesen Türen verbirgt, erfährt er in drei voneinander unabhängigen Bänden, die es ihm ermöglichen selbst zu wählen, wie die Geschichte verlaufen soll: Möchte ich alle Bücher lesen? Mit welchem Buch beginne ich? Das sind Entscheidungen, welche die Serie offenlässt. Und bereits eine zweite Staffel mit noch mehr Interaktions-Potential ist in Planung, so Schmidt. Wichtig ist hierbei, dass sich Print und Digital sinnvoll ergänzen und im Idealfall gegenseitig befeuern. So kann der Lesende zum Beispiel auf Spotify die Playlist anhören, die den Autor beim Schreiben inspiriert hat.
Außerdem bleibt der Verlag flexibel für die Resonanz aus dem Handel. So ist der Pilot zum Beispiel noch einmal in jedem Folgeband abgedruckt. Das war zunächst nicht geplant, erwies sich aber für Spontankäufer als unerlässlich, die zum Beispiel in der Bahnhofsbuchhandlung ein Buch für die Zugfahrt kaufen wollten.
Die Mühlen der Branche mahlen langsam
Reichwein und Schmidt betonen zudem, dass beide Projekte bereits vor den Studienergebnissen durch die Studie „Buchkäufer – quo vadis?“ in Angriff genommen wurden. Gleichzeitig bildet die Studie einen erneuten Weckruf für eine Branche, in der die Mühlen sehr langsam mahlen. Das Mediennutzungsverhalten ändert sich und die Buchkäuferzahlen sinken. Gleichzeitig werden die Leser nicht weniger: Sie lesen Blogeinträge, Fan-Fictions und Untertitel. Um diese Leser wieder an die Buchbranche zurückzubinden, dürfen Projekte wie www.zusammen-lesen.de und die Buch-Serie „Doors“ keine einsamen Leuchtturm-Projekte bleiben, sondern sollen neue Wege zum Leser ebnen.
[1] Umfangreiche Informationen zur Studie „Buchkäufer – quo vadis?“ finden Sie unter: https://www.boersenverein.de/de/portal/Studie_Buchkaeufer_quo_vadis_/1476019.
Foto und Text: Charlotte Hütten