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von links Oskar Piesga (Moderation), Franz Ambelang (ABSOLVENTA), Nikola Richter (mikrotext) und Jan Wagner (Cliffhanger Productions)

Auf der Frankfurter Buchmesse geht es nicht nur um neue Bücher und spannende Trends in der Buchbranche. Die vielen Stände laden auch zu zahlreichen Informationsveranstaltungen und Diskussionsrunden. 

„Wer ist denn alles Geisteswissenschaftler?“ – Die Finger gehen hoch. „Und wer hat einen Arbeitsplatz?“ Die Finger gehen wieder runter. Dass Geisteswissenschaftler sich mit dem Berufseinstieg schwer tun, ist nichts Neues. Aber kann das Internet die Taxifahrer von morgen verhindern?

Dieser Frage gingen im „Zeit Campus“-Dialog Franz Ambelang, Nikola Richter und Jan Wagner unter der Moderation auf den Grund – allesamt studierte Geisteswissenschaftler. Auch sie kennen den schwierigen Übergang vom Studium ins Berufsleben, können von befristeten und dazu noch schlecht bezahlten Jobs erzählen. Ambelang, der European Studies und Kulturwissenschaften studiert hat, musste ein halbes Jahr suchen, ehe er einen Job hatte, nutzte die Zeit aber auch, um sich intensiv mit sich selbst auseinanderzusetzen.  Er empfiehlt den Berufseinstieg über Umwege: Vielleicht im Vertrieb, aber auch im Personalwesen oder im Online-Marketing anfangen, auch wenn man Romanistik studiert hat. Den gefühlten Trend auf dem Arbeitsmarkt spiegelt die Jobbörse, für die er arbeitet, wider: Informatiker bekomme­­­n im Schnitt zehn Jobangebote, Ingenieure acht, Geisteswissenschaftler dagegen nur zwei.

Start-ups als Chance

Gerade Start-ups seien für Geisteswissenschaftler interessant, aber auch von Natur aus riskante Angelegenheiten, die zwar am nächsten Tag reich, aber auch genauso gut pleite sein können. Doch auch die ehemalige freie Journalistin Nikola Richter versucht, Mut zu machen: „Jeder kann etwas“, meint sie und hebt die Selbstständigkeit der Geisteswissenschaftler hervor. Viele müssten trotzdem selbstbewusster werden und auch einmal bei Werksverträgen verhandeln, um nicht ein Jahr lang für einen Hungerlohn zu arbeiten. Jan Wagner, Geschäftsführer eines PC-Spiele-Herstellers, betont, dass es wichtig ist, noch „etwas anderes“ mitzubringen als den bloßen Master-Abschluss. Und Ambelang, der selbst erst vor einem Jahr sein Studium abgeschlossen hat, hat vier grundlegende Tipps auf Lager: Spezialisieren, Kontakte knüpfen, Praktika absolvieren und vor allem die Auseinandersetzung mit den eigenen Schwächen und Stärken anstoßen. Die fast ausschließlich weiblichen Zuschauer waren unterdessen alles andere als beruhigt: Die Eltern nörgeln, das Geld ist knapp, einige plagen sogar Existenzängste.

„Keine Ahnung vom Netz“

Wagner setzt bei den klassischen Medien an: Viele Zeitungsverlage hätten schlichtweg „keine Ahnung vom Netz“.  Da Twittern, Bloggen & Co. kostenlos seien und die fertigen Studenten sehr gut mit Texten umgehen könnten, biete dieses Arbeitsfeld zahlreiche Chancen für Geisteswissenschaftler.

Viele Geisteswissenschaftler studieren darüber hinaus aus Idealismus – laut Ambelang aber manchmal etwas zu verkrampft. Er rät zu einem „flexiblen Idealismus“. Arbeitssuchende  sollten nicht vor einem Arbeitsplatz in der freien Wirtschaft zurückschrecken, auch wenn sie eigentlich gerne bei einer humanitären Organisation arbeiten würden. Als Schlüsselqualifikationen betont er internationale Kompetenzen und Sprachkenntnisse, die Geisteswissenschaftler oftmals vorweisen könnten. Ein Auslandssemester in den USA oder Frankreich ist immer noch förderlich, aber inzwischen nichts Besonderes mehr. Stattdessen solle man eher in außergewöhnlicheren Länder wie Brasilien, Indien oder China studieren und dadurch Sprache und Kultur kennenlernen. Vor allem aber müsse man – beispielsweise in Bewerbungsgesprächen – ehrlich sein und sich „gut verkaufen können“.

Weiterlernen ist das A und O

Am Wichtigsten fanden alle drei Diskussionspartner jedoch das Weiterlernen: Nur wer nach oder bereits neben dem Studium noch Sachen dazu lerne, würde in Wagners Firma überhaupt als Angestellter in Frage kommen: „Wichtig ist, nicht stehen zu bleiben“. Dementsprechend interessiere es niemanden, ob man ein Jahr länger studiert.

Neben den Zusatzqualifikationen komme es nicht zuletzt auf den Glauben  an sich selbst an, auch wenn dies schwerfalle. Schlussendlich waren zwar alle drei Referenten einer Meinung, dass das Internet für neue Möglichkeiten sorge – der Weg nach dem Studium ist und bleibt dennoch für Geisteswissenschaftler oft der Weg ins Ungewisse.­­­

Julius Berger