von Mona Klinkhardt

Das Thema Nachhaltigkeit spielt eine immer größere Rolle – auch in der Buchbranche, wie die Vielzahl der Veranstaltungen auf der diesjährigen Frankfurter Buchmesse dazu zeigen.

Am Messe-Donnerstag fand in Zusammenarbeit mit BuchMarkt auf der Publishing Services & Retail Stage in Halle 4.0 eine Podiumsdiskussion mit dem Titel „Nachhaltigkeit in der Buchproduktion“ statt. TeilnehmerInnen waren Ernst Gugler, Geschäftsführer der Gugler GmbH, Markus Hatzer, Verleger des Löwenzahn Verlags, Dr. Nadja Kneissler, Leiterin des Delius Klasing Verlags und Stefanie Langner, Herstellungsleiterin des S. Fischer Verlags.

Durch die bunte Mischung der Gäste konnte ein interessanter Überblick über den Status quo aber auch geplante weitere Vorgehen der unterschiedlichen Unternehmen gegeben werden, die alle ganz eigene Erfahrungen mit dem Thema Nachhaltigkeit und ökologischer Produktion gemacht haben.

Dabei reichen die Versuche vom Weglassen der Einschweiß-Folie bis hin zum Cradle-to-Cradle-Prinzip. Cradle to Cradle (C2C) bedeutet „von der Wiege zur Wiege“, wobei in Produktkreisläufen gedacht wird, also alle Materialien wiederverwertet werden können und kein Müll entsteht. Die Druckerei Gugler hat sogar ein C2C-inspiriertes Gebäude gebaut: 97 % aller verwendeten Baustoffe sind recyclingfähig – das Gebäude besteht aus Holz, 30–40% der Bauteile hatten schon ein Vorleben. So wurde Recyclingbeton genutzt, altes Papier zu Dämmstoff verarbeitet und alte Druckplatten verwendet, um das Gebäude von außen zu schützen. Außerdem gibt es Nistkästen für Turmfalken und im Unternehmen wird vegetarisch gekocht.

Auch Verlage bemühen sich um Nachhaltigkeit

Ein Kunde der Druckerei ist der Löwenzahn Verlag. Sie stellten fest: Wenn man der Linie treu bleiben und seiner Zielgruppe entsprechen will, muss man eigentlich Cradle to Cradle drucken – deshalb wurde die Produktion im Juli 2019 komplett umgestellt. Damit sei Löwenzahn momentan der einzige deutsche Verlag, der alle seine Novitäten vollständig nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip produziert. Das sei ein großer Schritt, aber man müsse es so machen, sagt Verleger Markus Hatzer – auch wenn es bezüglich der Herstellungskosten eine Herausforderung sei. Laut ihm sollten die Menschen keinen negativen Fußabdruck hinterlassen, sondern einen positiven. Als Produzent müsse man deshalb Qualität neu definieren:

Ein gutes Produkt ist nicht dann ein gutes Produkt, wenn es optisch ansprechend ist, wenn die Inhalte schön gestaltet sind, wenn die Aufschlagsqualität des Buches gut ist, sondern wir sprechen dann von guter Qualität, wenn die verwendeten Inhaltsstoffe, wenn das Produkt an sich frei von jeglichen Schadstoffen ist. Wir sprechen dann von einem guten Produkt, wenn das Produkt recyclingfähig ist, rückstandsfrei ist. Und wir sprechen dann von einem guten Produkt, wenn es so hergestellt worden ist, dass es positiv ist fürs Klima und nicht negativ ist fürs Klima.

Doch Gugler betonte auch, dass sein Unternehmen „nicht perfekt“ sei, denn nachhaltig wirtschaften sei ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess.

Am Beginn dieses Prozesses befindet sich der bis jetzt absolut nicht für Nachhaltigkeit bekannte Delius Klasing Verlag – produzierten sie doch untere anderem Magazine für Porsche und über Mega-Yachten. Für das neue Buch über Fridays for Future, das in Zusammenarbeit mit den Aktivisten und Aktivistinnen entstand, war sehr schnell klar: Dieses Buch kann nicht auf konventionelle Weise hergestellt werden. Daraufhin beschäftigten sie sich intensiv mit der Thematik und produzierten das Buch komplett klimaneutral bzw. klimapositiv – natürlich bei der Druckerei Gugler. Künftig sollen nun zunehmend Bücher auf diese Art hergestellt werden. Das Projekt hatte einen großen Effekt auf den ganzen Delius Klasing Verlag: Im Nachhinein wurde überlegt, wie man sich nachhaltiger und ökologisch sinnvoller aufstellen kann – so gibt es nun für die MitarbeiterInnen keine Inlandsflüge mehr, stattdessen Sammelfahrten, Job-Räder und auch ein ökologischeres Kopierpapier. Außerdem wird ein Green Award an MitarbeiterInnen verliehen.

Solch einschneidende Maßnahmen gestalten sich für große Verlagshäuser wie S. Fischer natürlich komplizierter. Gerade aus herstellerischer Sicht blieben Preis und Verfügbarkeit absolut mitentscheidend, gesteht Stefanie Langner. Trotzdem will die gesamte Holtzbrinck-Gruppe künftig umweltfreundlicher agieren, wobei der Schwerpunkt auf der CO2-Emmission liegt. Denn sie hätten festgestellt, dass sie sich eine Hauptüberschrift geben müssen, an der sie weitere Maßnahmen bemessen. Der Umzug von Rowohlt aus einem „klimatisch hochproblematischen Gebäude“ sei ein plakatives Beispiel dafür. Insgesamt konnten in der gesamten Unternehmensgruppe in den letzten Jahren bereits 30 % der CO2-Emmissionen reduziert werden. Der größte Faktor dabei sei das Papier, da der Herstellungsprozess ein energetischer sehr aufwändiger Prozess ist. Danach kommt der Transport – deshalb hat der Verlag sich vorgenommen, sich die Transportkette genau anzuschauen und zu prüfen, wo man hier Effekte erzielen kann.

Manches ist schwieriger, als gedacht

Einfach die Folie wegzulassen, was sich erst nach einem schnell umzusetzenden Schritt anhört, sei gar nicht so einfach – in einigen Handelsstufe sei die Akzeptanz zu gering. Der Buchhändler muss nach wie vor Überzeugungsarbeit leisten, wenn der Kunde nach einem eingeschweißten Buch fragt. Hier muss ein großer Umdenkprozess angestoßen werden.

Oft beschäftigen sich umweltfreundlich hergestellte Bücher auch mit dazu passenden Themen wie Naturkosmetik und gesunder Lebensweise, da hier die Akzeptanz am größten ist. Auch im Kinderbuchsektor werden Cradle-to-Cradle oder nachhaltig hergestellte Bücher gut angenommen. Bei einem breit aufgestellten Publikumsverlag stellt sich die Frage, ob dies auch bei einem Thriller oder einem historischen Unterhaltungsroman funktionieren wird und vermittelbar ist. Doch auch dies gelte es, irgendwann auszuprobieren, zu wagen, so Lagner.

Auch im Vorstand des Börsenvereins wird das Thema Nachhaltigkeit intensiv diskutiert, wie Dr. Kneissler, Vorsitzende des Verlegerverbandes, berichten konnte. Künftig ist eine Website oder ähnliche zentrale Quelle geplant, auf der Informationen abrufbar sind, wie man als Mitglied der Branche klimafreundlich agieren kann.

Moderator Leander Wattig von ORBANISM fasste zusammen: Wichtig sei zum einen Bewusstseinsschaffung/-stärkung bei den Kunden, zum anderen Kooperationen und Zusammenarbeit in der Forschung.


Artikel verfasst von Mona Klinkhardt im Rahmen der JVM-MessereporterInnen in Kooperation mit der Frankfurter Buchmesse.