Im Fokus: „Ukraine“ auf der Frankfurter Buchmesse 2022
Messereport zur FBM 2022
von Anika Andreßen
Neben Ehrengastland Spanien rückt im Angesicht der aktuellen Ereignisse auch ukrainische Literatur in den Fokus der 74. Frankfurter Buchmesse. Neben einem Gemeinschaftsstand mit eigener Bühne und Programm in Halle 4.0, bekamen wichtige Stimmen der ukrainischen Buchbranche im Frankfurt Pavilion ein Forum und wurden Fachveranstaltungen für Publishing Professionals aus der Ukraine und Nachbarländern angeboten. Am Messedonnerstag richtete der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj per Videobotschaft das Wort an internationale Verleger:innen, gefolgt von zwei spontanen Liveauftritten von First Lady Olena Selenska am Samstag. Zum krönenden Abschluss der Messewoche wurde der ukrainische Schriftsteller Serhij Zhadan am Sonntag mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet.
Eröffnungspressekonferenz: Unterstützung für die ukrainische Buchbranche
Bereits bei der Eröffnungspressekonferenz zur Frankfurter Buchmesse am Messedienstag gab Jürgen Boos, Direktor der Frankfurter Buchmesse, einen Einblick in die Neuerungen, Highlights und Schwerpunkte der kommenden 5 Tage und betonte, dass es auch Aufgabe der Buchmesse sei, auf aktuelle (politische) Entwicklungen Bezug zu nehmen und hierüber zu informieren. Neben Themen wie den derzeitigen Protesten im Iran, der Energiekrise und ihren Auswirkungen auf dem Buchhandel stehe auch der Krieg in der Ukraine im Fokus der diesjährigen Buchmesse:
„Die Frankfurter Buchmesse unterhält seit vielen Jahren enge Kontakte zur ukrainischen Buchbranche. Deshalb möchten wir unseren ukrainischen Kolleginnen und Kollegen auch jetzt, während sie dem russischen Angriff standhalten, direkte Unterstützung bieten. Als jährlicher Branchentreffpunkt ist es uns ein besonderes Anliegen, der ukrainischen Buchbranche weltweit Sichtbarkeit zu geben“, so Boos.
Ukrainische Literatur, Illustrationen und Fachprogramm in Messehalle 4
An einem 100 qm großen Gemeinschaftsstand mit eigener Bühne (B 114) gaben ukrainische Buchverlage und Institutionen unter dem Motto „Beharrlichkeit im Bestehen“ ab Mittwoch Einblick in das Schaffen ukrainischer Verleger:innen, Autor:innen, Übersetzer:innen und Illustrator:innen und beleuchteten die aktuelle Situation der Verlagsbranche. Das Programm wurde vom ukrainischen Buchinstitut und dem Goethe-Institut Ukraine kuratiert. Ausgestellt waren neben ukrainischer Literatur in Form von zahlreichen Kinderbüchern, Comics und Literatur für Erwachsene auch viele Kunst- und Sachbücher, begleitet durch zahlreiche Veranstaltungen, in denen nicht nur die ukrainische Literatur, sondern auch die Geschichte der Ukraine selbst, die Kolonialisierung durch Russland und das Bestreben nach Unabhängigkeit und die derzeitigen Entwicklungen des Krieges im Vordergrund standen. So konnte man über ein leuchtendes rotes Quadrat über der Bühne am Messestand in Echtzeit die Luftangriffe auf die Ukraine nachverfolgen. Ihre Solidarität mit der Ukraine zeigten auch die in Halle 4 umliegenden Messestände, wie Georgien, die baltischen Staaten oder Polen, die beispielsweise auf besondere ukrainische Übersetzungen und Schwerpunkte in ihrem Programm aufmerksam machten und auf Postkarten, Plakaten und Stickern zum Widerstand gegen die Versuche, die ukrainische Kultur zu vernichten, aufriefen.
Auch im neu eingeführten Format des Messe-Podcast von detektor.fm mit Studiobühne im THE ARTS+ Areal (Halle 4.0 G 59) war die Ukraine Thema. Im Gespräch mit detektor.fm–Moderatorin Alea Rentmeister sprach Manfred Sapper, Chefredakteur, der Zeitschrift „OSTEUROPA“ über das neu erschienene 500-seitige Kompendium „Kultur in Zeiten des Krieges“ und begründet den ukrainischen Widerstand mit in der kulturellen Verwurzelung des Landes und seiner langjährigen Abhängigkeit und Unterdrückung durch Russland.
Gespräche zur aktuellen Lage der Ukraine im Frankfurt Pavillon
Im Frankfurt Pavilion auf der Agora bekammen nebst zahlreichen anderen aktuellen (politischen) Themen am Samstag wichtige Stimmen der ukrainischen Buchbranche wie Serhij Zhadan, Katja Petrowskaja, Kateryna Mishchenko, Nataliya Gumeniuk, Peter Pomerantsev, Aliona Karavai, Andrej Kurkow, Karl Schlögel ein Forum. In Diskussionen, Lesungen und musikalischen Beiträgen waren Interessierte eingeladen die aktuellen Entwicklungen in Kultur, Kulturpolitik und Medien in Zeiten des Krieges nachzuverfolgen.
Das Programm wurde von der Bundeszentrale für politische Bildung, dem Goethe-Institut Ukraine und der Frankfurter Buchmesse in Zusammenarbeit mit dem ukrainischen Buchinstitut kuratiert.
Präsident Wolodymyr Selenskyj und First Lady Olena Selenska auf der FBM
Am Donnerstag wendete sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj im Congress Center auf Einladung der Frankfurter Buchmesse und des Europäischen Verlagsverbandes FEP per Videobotschaft an die internationale Buch- und Verlagsbranche. In seiner 6-minütigen Ansprache betonte er die Wichtigkeit, den Wert der Freiheit zu verteidigen und appellierte, weitere Aufklärungsarbeit zu leisten und kontinuierlich über den russischen Angriffskrieg zu berichten. „Die Vermittlung von Wissen sei die Antwort für diejenigen, die Angst haben, für diejenigen, die manipulieren und für diejenigen, die etwas nicht glauben könnten.“, so Selenskyj. Damit spielte er darauf an, dass in Europa immer noch viele Personen des öffentlichen Lebens dazu ermutigten, Russland gegenüber Verständnis entgegenzubringen und die terroristische Politik zu ignorieren.
„Bücher, Dokumentationen, Artikel, Reportagen wären dagegen die notwendigen Mittel“ um entsprechende Aufklärungsarbeit zu leisten.
Auch die ukrainische First Lady Olena Selenska, stattete der diesjährigen FBM spontan live einen Besuch ab. Sie stellte gemeinsam mit Elke Büdenbender, der Ehefrau von Bundespräsident Steinmeier die deutsch-ukrainische (Hör-)Buch-Edition ihres Projekts „Better Time Stories“ vor. Ziel der Hörbuch-App ist es, Kinder und Familienmitglieder, die in der Ukraine bleiben mussten, über gemeinsame Hörbucherlebnisse zu vernetzen und trotz räumlicher Trennung zu ermöglichen, dass z.B. Eltern ihren Kindern Bücher vorlesen können. Die deutsche Spendenkampagne hat zum Ziel, dass ukrainische Flüchtlingskinder kostenlos auf diese (Hör-)Bücher zugreifen können. Ebenfalls am Messesamstag stellte Olena Selenska in der Gesprächsreihe BRIGITTE LIVE ihr kürzlich erschienenes Handbuch „SCHAFFEN“ zur Barrierefreiheit vor und sprach mit Chefredakteurin Brigitte Huber über ihr Buch, die aktuelle Lage in der Ukraine und die Rolle Deutschlands im Ukrainekrieg.
Friedenspreis-Verleihung 2022 an den ukrainischen Schriftsteller Serhij Zhadan
Wie ein roter Faden zog sich der Schwerpunkt Ukraine durch die Messetage und so geht die 74. Frankfurter Buchmesse mit der Verleihung des „Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2022“ an den ukrainischen Schriftsteller und Musiker Serhij Zhadan am Sonntag in der Frankfurter Paulskirche zu Ende. Zhadan wurde für sein „herausragendes künstlerisches Werk“ und für seine „humanitäre Haltung“ geehrt. Seit Ausbruch des Kriegs engagiert er sich humanitär und kulturell in der Ostukraine, lebt in Chardiw, wo er Konzerte in Metrostationen spielt, Hilfsgüter in der Stadt verteilt und international Artikel über die Situation in der Ukraine veröffentlicht.
Er zählt zu den wichtigsten, innovativsten und bekanntesten Stimmen der ukrainischen Gegenwartsliteratur.
Weiterführende Links:
Pressemitteilung FBM zu Neuerungen auf der FBM 2022
Pressemitteilung FBM zum Schwerpunkt Ukraine
Pressemitteilung FBM zur Rede des ukrainischen Präsident Selenskyj
Rede des ukrainischen Präsident Selenskyj auf der FBM 2022
Mitschnitt, Olena Selenska zu Gast bei BRIGITTE LIVE
Bettertimestories unter der Schirmherrschaft von Olena Selenska und Elke Büdenbender
Verleihung des „Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2022“ an Serhij Zhadan