Wie werden Kinder zu (kleinen) Lesehelden? Eine Podiumsdiskussion auf der Frankfurter Buchmesse

Messereport von der FBM 2022

von Sophie Petersen

Dieser Frage widmeten sich Michael Schlienz, Verleger Ernst Klett Verlag, Bärbel Dorweiler, Verlegerin Thienemann-Esslinger Verlag und die Pädagogin und stellvertretenden Schulleiterin Theresa Weber am Messemittwoch. Dabei erzählten Schlienz und Dorweiler über ihre Kooperation zur Reihe „Die kleinen Lesehelden“ und Weber gab spannende Einblicke in die Lehrpraxis.

Das Verstehen macht Lesen so anstrengend!

Jedes 5. Kind der 4. Klasse erfülle den Mindeststandard beim Lesen nicht. Das Ergebnis der zuvor gerade veröffentlichten Studie machte das Thema der Podiumsdiskussion umso relevanter. Durch die Pandemie seien die 4. Klässler ein halbes Jahr im Lernen zurückgefallen. Darauf wurde Pädagogin Weber direkt angesprochen: Merken Sie das im Schulalltag und wie konnte es dazu kommen?

Natürlich merken die Lehrkräfte in den Schulen das. Auch sie selbst merkt, dass die Unterschiede in den Klassen größer geworden sind. Große Heterogenität innerhalb der Klassen und der allseits bekannte große Lehrkräfte- bzw. Fachkräftemangel haben den größten Anteil daran. Es wird immer schwieriger, den Unterricht mit Materialien zu gestalten, die die Bedürfnisse aller Kinder fördern. Eigentlich braucht mittlerweile fast jedes Kind eigenes Material und Methoden. Individuelles Lernen ist hier das Stichwort. An Webers Schule gibt es z. T. Lernzeitstunden statt Hausaufgaben, über die gezielt Schwächen aufgefangen werden. Das reicht aber noch nicht. Beim Leselernprozess ist es wichtig, Frustmomente von Kindern abzufangen. Kinder können zwar schnell Lesen, indem sie z. B. zwei Buchstaben zu einer Silbe zusammenziehen. Beim richtigen Lesen geht es aber nicht nur um die Laute, sondern auch ums Verstehen der Texte. Das ist anstrengend und somit die größte Herausforderung.

Was ist Kletts und Thienemanns Lösung?

Auf die Frage, ob Klett als einflussreicher Bildungsanbieter nicht Impulse mit seinem Angebot setzen kann, um dadurch auch den Unterschieden der Lehrmethoden der einzelnen Bundesländer entgegenzuwirken, verwies Schlienz unter anderem auf die neue Kooperation mit Thienemann. Der Verlag und Klett haben gemeinsam die Reihe „Kleine Lesehelden“ entwickelt, die auf Lesemotivation durch bekannte Kinderhelden und Klassiker setzt. Dabei sind die Texte und Geschichten kürzer als in den Originalkinderbüchern. Der Fokus liegt bei der Erstlese-Reihe auf einfachen Wörtern, mehr Umbrüchen und kurzen Kapiteln. Die Originalillustrationen und ein Quiz am Ende jedes Kapitels sollen die Schüler:innen zusätzlich motivieren. Durch die kurzen Kapitel haben die Kinder schnelle Erfolgserlebnisse, was nachhaltig zum Lesen anregen soll. Klett entwickelt dazu Unterrichtsmaterialien und bringt die kleinen Lesehelden-Bücher in die Schulen.

Es bleibt zu hoffen, dass Methoden und Projekte wie die kleine Lesehelden oder andere Anbieter es schaffen, die Heterogenität in den Klassen zu verringen und das Aufholen des Lern- und Leserückstands zu unterstützen. Da haben auch Verlage eine Verantwortung.


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